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Identität. Die britische Neue Linke und die politischen Wurzeln eines umstrittenen Konzepts.

Ebke, Almuth
In: Historische Zeitschrift, Jg. 315 (2022-10-01), Heft 2, S. 350-384
Online academicJournal

Identität. Die britische Neue Linke und die politischen Wurzeln eines umstrittenen Konzepts  Identity. The British New Left and the Political Roots of a Contested Concept 

Der Begriff der „Identität" ist spätestens seit den 1990er Jahren zu einer zentralen analytischen Kategorie der Geistes- und Sozialwissenschaften aufgestiegen. Der Aufsatz argumentiert, dass sich hier zwei Begriffstraditionen beobachten lassen: eine nach Differenz fragende und eher als politisch wahrgenommene kulturwissenschaftliche Auffassung von Identität sowie eine historische Perspektive, die sich stärker mit Fragen der nationalen Integration und des Zusammenhalts befasst. Dieses Verständnis von Identität wird heute weitgehend als unpolitisch wahrgenommen. Beide Traditionen sind jedoch in einem gemeinsamen, grundlegend politischen Wissenschaftsumfeld geprägt worden. Einflussreich waren hierbei die Debatten der britischen Neuen Linken der 1970er und 1980er Jahre. In diesem Netzwerk von Intellektuellen wurden anhand der Themen Nationalismus und „race" Aspekte kollektiver und personaler Identifikation und Zugehörigkeit an konkreten politischen Anlässen verhandelt. Diese Debatten waren ein wichtiger Faktor dafür, dass sich die beiden unterschiedlichen wissenschaftlichen Verwendungen des Begriffes „Identität" etablieren konnten. Beide Lesarten des Identitätsbegriffs entwickelten sich seit den 1980er Jahren international und fachübergreifend zu wichtigen Analysekategorien. In dieser Rezeption ging der historisch-britische Kontext der Begriffsprägung weitestgehend verloren. Durch die Analyse der konkreten Debatten, die zur Ausformung der verschiedenen Begriffstraditionen beigetragen haben, leistet der Artikel einen Beitrag zur Historisierung des wissenschaftlichen Konzepts der „Identität".

Since the 1990s, the concept of "identity" has developed into one of the central analytical categories in the humanities and social sciences. Two conceptual traditions can be observed: a more politically minded cultural studies conception of identity and a historical perspective that is concerned with questions of national integration and cohesion. This understanding of identity is largely perceived as apolitical today. Both conceptions, however, were shaped in an academic environment that was fundamentally political. Central influences in this process can be found in debates of the British New Left of the 1970s and 1980s. By addressing questions of nationalism and "race", left-wing intellectuals discussed aspects of personal and collective identification and belonging. These debates were fundamental in establishing the two different uses of the term "identity", predominately in the interdisciplinary study of nationalism and early British Cultural Studies. Since the 1980s, both understandings of the concept of identity have become academically influential, albeit for different disciplines and research contexts. In this process, the political and historical background was largely forgotten. By analysing the concrete debates which helped to shape the different conceptual traditions, the article contributes to the critical assessment of the concept of "identity" in the humanities and social sciences.

Keywords: Großbritannien; Ideengeschichte; Identität; Great Britain; history of ideas; identity

Der Begriff der „Identität" ist seit den 1990er Jahren zu einer zentralen analytischen Kategorie der Geistes- und Sozialwissenschaften in Deutschland, aber auch in Großbritannien oder den USA aufgestiegen. Ganz unterschiedliche Varianten sozialer und kollektiver Identität werden seitdem verwendet; mit dem Begriff der „Identität" werden fragile und multiple, ambivalente, personale und kollektive Zuschreibungen und Zugehörigkeiten untersucht. In der Geschichtswissenschaft hat vor allem das Konzept der „nationalen Identität" Anklang gefunden. In den vergangenen Jahren wurden besonders in der historischen Geschlechterforschung intersektionale Ansätze rezipiert, die das Zusammenspiel unterschiedlicher Formen von Diskriminierung und Privilegierung anhand von Differenzkategorien wie beispielsweise Geschlecht, „race", Klasse, Religion, Behinderung oder körperliche Erscheinung in den Blick nehmen.

Der Identitätsbegriff birgt in der Geschichtswissenschaft jedoch auch hohes Konfliktpotenzial. Zunächst wurden vor allem die inhaltliche Unschärfe und mangelnde Theoretisierung des Begriffes bemängelt. Denn wenn Identitäten fragil, multipel und ambivalent sind, stellt sich die Frage nach dem analytischen Wert des Begriffs. Lutz Niethammer sprach diesem „Plastikwort" beispielsweise in seiner bereits im Jahr 2000 verfassten 600-seitigen Philippika jedweden Wert ab. In jüngster Zeit steht vor allem der politische Gehalt des Begriffs in der Kritik. Gilt die historische Nationalismusforschung von ihrem Ansatz her als weitgehend apolitisch, werden historiographische Ansätze, die den Cultural Studies nahestehen, oft als aktivistisch wahrgenommen, mit dem Identitätsbegriff als Ausgangspunkt ihrer Forderungen. In der gegenwärtigen wissenschaftlichen Debatte werden diese Verständnisse von Identität oft als Gegensatz von konstruktivistischen und identitätspolitischen Begriffen gegeneinander ausgespielt. Erstere gelten als wissenschaftlich wenig aussagekräftig, weil in ihrer Fluidität beliebig, letztere als zu politisch und damit letzten Endes in ihrer wissenschaftlichen Objektivität eingeschränkt. Der Grad an Politisierung wird somit zum wissenschaftlichen Lackmustest. Verstärkt wird diese Sicht dadurch, dass wissenschaftstheoretisch die Geschichte der Identitätskonzepte als Fortschrittsgeschichte dargestellt wird, in der unveränderliche Identitätskonzepte zunehmend von flexiblen und fluiden Vorstellungen von Identität ersetzt werden.

Dieser Zwiespalt zwischen konstruktivistischer Analysekategorie und der politischen Aufladung des Begriffs liegt im Kern geschichtswissenschaftlicher Debatten um Identität. An dieser Stelle geht es nicht darum, den analytischen Wert des Begriffs von Identität zu bestimmen – das ist an anderer Stelle hinreichend diskutiert worden. Für diesen Beitrag interessiert vielmehr, woher dieser Gegensatz kommt, verwenden doch beide der hier angesprochenen Forschungsrichtungen den Begriff der Identität. Der Aufsatz argumentiert, dass der Zwiespalt im Umgang mit den unterschiedlichen Verwendungsweisen von „Identität" auf disziplinär verschiedene – und verschieden theoretisierte – Identitätsbegriffe zurückgeht, die beide in einem grundlegend politischen Wissenschaftsumfeld geprägt wurden. Dieser politische Kontext steht in der kulturwissenschaftlichen Auffassung von Identität bis heute stärker im Blickfeld, während die deutlich weniger theoretisierte, nach nationaler Integration und Zusammenhalt fragende geschichtswissenschaftliche Sichtweise heute weitgehend als unpolitisch wahrgenommen wird.

Die Geschichte dieser unterschiedlich politisierten Begriffstraditionen in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist eine Geschichte zeitgenössischer wissenschaftlicher Reflexion und Rezeption. Zentrale Einflüsse in diesem Prozess stammen aus Großbritannien, genauer gesagt: Sie lassen sich in Debatten finden, die in der britischen Neuen Linken in den 1970er und 1980er Jahren über Nationalismus und Identität geführt wurden. Denn in diesem Netzwerk von linken Intellektuellen, die an Universitäten oder Forschungseinrichtungen, Think Tanks oder Zeitungen arbeiteten, bildete sich, so die These, ein kritisches, oft kontroverses interdisziplinäres Diskussionsfeld heraus, in dem Aspekte kollektiver und personaler Identifikation und Zugehörigkeit an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik diskutiert wurden – Aspekte, die später auf den Begriff von Identität gebracht wurden. Dabei stellte das Nachdenken über Identität beileibe keine Besonderheit der britischen Neuen Linken dar. Jedoch nicht zuletzt durch die erklärungsbedürftige politische Lage des Vereinigten Königreichs in den 1970er und 1980er Jahren und die dortigen unorthodox marxistischen Debattentraditionen befand sich eben hier ein wichtiges geographische Zentrum dieser Auseinandersetzungen um „Identität", in dem sich gerade die Zweiteilung der Begriffstradition nachvollziehen lässt. Wissenschaftlich einflussreich wurde die weitgehend national geführte Auseinandersetzung durch ihre anschließende internationale und fachübergreifende Rezeption seit den 1980er Jahren. Entscheidend war dabei jedoch, dass in dieser Rezeption der britische räumliche und politische Kontext verloren ging.

Innerhalb der Debatten der britischen Neuen Linken über Nationalismus und Zugehörigkeit lassen sich zwei teils überlagernde Stränge identifizieren: Im ersten Strang diskutierten Wissenschaftler und Intellektuelle in der Neuen Linken über die Haltung, die die Linke zu Nationalismus einnehmen sollte. Den politischen Kontext stellten die nationalistischen Bewegungen in Schottland und Wales seit 1967, aber auch der politische Patriotismus im Kontext des Falklandkonflikts 1982 dar. Die Debatte innerhalb der Neuen Linken war, so die These, grundlegend für die Entwicklung der historischen Nationalismusforschung und stellt den direkten Kontext für einflussreiche Publikationen von Eric Hobsbawm und Benedict Anderson dar. Diese Studien bereiteten den Weg für die Adoption eines integrativen Begriffs von Identität in der historischen Nationalismusforschung: der Frage nach „nationaler Identität" als Geschichte nationalstaatlicher Integration.

Der zweite Strang führt zurück in die zeitgleich stattfindenden Debatten in der „black radical sphere" – in einem Milieu, das zwar den intellektuellen Debattenraum der Neuen Linken rezipierte und teils auch aktiv mitgestaltete, sich jedoch nicht zuletzt durch die Migrationserfahrung erster oder zweiter Generation aus einer ehemaligen Kolonie abhob. Anhand der Debatten um „race" am Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) an der University of Birmingham, einer zentralen Institution des „Schwarzen" Flügels der Neuen Linken und maßgeblicher Wegbereiter der Cultural Studies in den 1970er und 1980er Jahren, wird die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fragen gesellschaftlicher Zugehörigkeit vor allem der zweiten Generation von Immigranten aus den ehemaligen britischen Kolonien analysiert. Im Kontext dieser Debatten wurde ein in einflussreiches kulturwissenschaftliches Konzept von „Identität" geprägt: kollektive Identität, in der gesellschaftliche Zugehörigkeit im Kontext der Differenzkategorien „race", aber auch „class" und „gender" gedacht wurde.

Die Historisierung der Theorien Hobsbawms und Andersons, aber auch des kulturwissenschaftlichen Konzepts der „Identität" steckt noch in den Kinderschuhen. Während die einzelnen Theorien wissenschaftlich geprüft wurden und standardmäßig in den jeweiligen Einführungswerken vorgestellt werden, steht eine konsequente Einbettung in ihre historisch-politischen Entstehungskontexte noch aus. Dies gilt auch für den Begriff der „Identität" selbst, dessen Geschichte in der Regel als wissenschaftlicher Transfer- und Diffusionsprozess von der amerikanischen Sozialpsychologie in den Mainstream wissenschaftlicher und öffentlicher Debatten untersucht wurde. Auf diese Weise gerät gerade die Widersprüchlichkeit der unterschiedlichen Identitätsbegriffe aus dem Blick, die jedoch – und das ist zentral – eng mit ihrem jeweiligen Verwendungskontext in den späten 1970er und 1980er Jahren zusammenhängen. Der Aufsatz setzt an dieser Stelle an: Anhand der Analyse der konkreten wissenschaftlichen Kontexte, in denen der Begriff in den britischen Geisteswissenschaften adaptiert wurde, soll die Entstehung dieser unterschiedlichen Begriffstraditionen erklärt und damit ein Beitrag zu ihrer Historisierung geleistet werden.

Dazu werden in einem ersten Schritt die einzelnen Stränge der Debatte aufgerollt (Teil I und II), angefangen mit der Auseinandersetzung um die Haltung der Linken zum Marxismus angesichts des schottischen und walisischen Nationalismus und des Falklandkonflikts. In einem dritten Teil wird anhand der Rezeptionsgeschichte des Identitätsbegriffs in der britischen Geschichtswissenschaft in den 1980er Jahren gezeigt, wie der politische Kontext des nach nationaler Integration fragenden Identitätskonzepts ausgeblendet wurde, in der kulturwissenschaftlichen Lesart jedoch weiterhin häufig mitgedacht wird.

„Identität" wird ebenso wie „Nationalismus" dabei nicht als Analysekategorie, sondern als Forschungsgegenstand behandelt. Die Publikationen Hobsbawms und Andersons, aber auch anderer Debattenteilnehmer wie Stuart Hall und Tom Nairn werden daher als Quellen für den wissenschaftlichen Diskurs über diese Fragen von Zugehörigkeit gelesen, der ebenso durch Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Archivalien und Memoiren rekonstruiert wird.

I. Steht das Vereinigte Königreich vor dem Auseinanderbrechen? Die Neue Linke und das Problem...

Die Kategorie der „nationalen Identität" löste ein wissenschaftliches Problem der historischen Nationalismusforschung. Mit ihr konnten Forscher eine Frage beantworten, die in den frühen 1980er Jahren dringlich schien: Warum vertraten Menschen nationalistische Positionen? Und darauf aufbauend: Worin bestand der kulturelle Kitt für diese Formen von Zugehörigkeit, der Nationen zusammenhält? Ausgangspunkt für diese Forschungsperspektive war eine Debatte, die an der Schnittstelle der historisch-sozialwissenschaftlichen Nationalismusforschung und der britischen Neuen Linken stattfand: die Auseinandersetzung um den Umgang der Linken, vor allem der im weiteren Sinne marxistischen Linken, mit Nationalismus. Auslöser der Auseinandersetzung war der schottische Politologe Tom Nairn, der 1977 mit seiner Aufsatzsammlung „The Break-up of Britain. Crisis and Neo-nationalism" für Aufregung gesorgt hatte. In neun mehrheitlich bereits zwischen 1970 und 1976 publizierten Beiträgen diagnostizierte er eine umfassende Krise des britischen Staates. Symptom der Krise sei vor allem die seit den 1960er Jahren erstarkte Nationalbewegung in Schottland, aber auch das Nationalbewusstsein in Wales, England und Nordirland galt ihm als beachtenswert. In der Debatte, die sich an Nairns Publikation anschloss, ging es zunächst weniger um den Begriff der Identität als um den Begriff von Nationalismus. Aber gerade die Auseinandersetzung mit diesem Phänomen legte ab den frühen 1980er Jahren das konzeptionelle Fundament für die breitere geistes- und vor allem geschichtswissenschaftliche Rezeption des Begriffs der „Identität" als Mittel, um nationalstaatliche Integrationsprozesse zu analysieren. Die Beiträge von Eric Hobsbawm und Benedict Anderson waren in diesem Kontext von besonderer Bedeutung.

Nairns Analyse war darauf ausgelegt zu provozieren, und nichts tat dies mehr als seine Aussagen zum adäquaten Umgang des Marxismus mit dem Phänomen des Nationalismus. Denn dieser stellte für Nairn den „großen historischen Misserfolg" des Marxismus dar. Konkret ging es um Fragen der Gewichtung und der Bewertung: Welchen Stellenwert nahmen nationale Loyalitäten gegenüber dem im marxistischen Denken traditionell wichtigen Klassenbewusstsein ein? Wie verhielt sich Nationalismus zur Vorstellung einer länderübergreifenden Solidarität des Proletariats? Und konnte Nationalismus, im Marxismus, aber auch in der breiteren Nationalismusforschung üblicherweise kritisch betrachtet, auch positiv bewertet werden? Nairn vertrat die Ansicht, dass Nationalismus grundlegend „janusgesichtig" sei: „In short, the substance of nationalism as such is always morally, politically, humanly ambiguous." Auf einer grundlegenden ideologisch-theoretischen Ebene kritisierte Nairn, dass die gesellschaftliche Bedeutung von Nationalismus oft unterschätzt werde. Althergebrachter Marxismus halte gesellschaftliche Klassen und deren Anliegen für die zentraleren Bewegungs- und Fortschrittskräfte in der Geschichte. Im Gegensatz dazu argumentierte der Politologe, dass die auf Nationalbewusstsein zurückgehenden Loyalitäten im Zweifelsfall stärker seien als die der Klasse, deren gesellschaftliche Bedeutung häufig überschätzt werde. Nationalismus wird damit zu einer Kraft, die dem Klassenkampf nicht unter- oder übergeordnet ist, sondern ein separates und eigenständiges Phänomen, das eine zentrale Eigenschaft des modernen Kapitalismus sei.

Nairns Analyse polarisierte sowohl im Fach als auch innerhalb der Neuen Linken, in deren diskursivem Feld er sich seit den 1960er Jahren bewegte. Fachkollegen kritisierten vor allem einen Mangel an Systematik sowie Nairns Verständnis von Nationalismus. Andere hingegen lobten die „erfrischende", „luzide" und „belesene" Analyse. Ernest Gellner, auf dessen Analyse von Nationalismus als Ideologie der Moderne Nairn aufbaute, hielt die Argumente des Politologen für weitgehend überzeugend; er stellte allerdings in Frage, inwieweit Nairn seine Analyse überhaupt als marxistisch verstehen könne. Nairns Attacke hatte sich jedoch vor allem gegen die britische Neue Linke gerichtet, in deren zentralem Publikationsorgan „New Left Review" er die Artikel zunächst veröffentlicht hatte. Gerade der Beitrag „The Modern Janus", in dem er seine Haltung zu Nationalismus aus theoretischer Perspektive darlegte, hatte innerhalb der Redaktion der Zeitschrift zu Diskussionen geführt. Als Nairn seine Beiträge in Buchform gebündelt in der Taschenbuchreihe Verso des zur Zeitschrift gehörenden Verlags New Left Books veröffentlichte, wurde Eric Hobsbawm von der Redaktion mit der Rezension des Buches betraut. Hobsbawm, der sich nicht zuletzt nach der Publikation der erfolgreichen „Age of"-Serie fachlich als einer der zentralen britischen Neuzeithistoriker etabliert hatte, war zu diesem Zeitpunkt in seine Rolle als marxistischer Public Intellectual komfortabel hineingewachsen und stellte als eines der frühen Mitglieder der Communist Party Historians Group ein Schwergewicht innerhalb der Neuen Linken dar. Der Kosmopolit Hobsbawm lehnte zu diesem Zeitpunkt Nationalismus grundsätzlich ab und war (noch) der Meinung, dass es für ihn als überzeugten Marxisten schlicht unmöglich sei, Nationalist zu sein. Dementsprechend urteilte er:

„Marxists as such are not nationalists. They cannot be so as theorists, given the nature of what passes for nationalist theory. [...] They cannot be so in practice, since nationalism by definition subordinates all other interests to those of its specific 'nation'."

Seine Rezension verdeutlicht, wie sehr sich beim Thema des Nationalismus fachliche mit politischer Kritik überschnitt, zumal Nairn zwar zu diesem Zeitpunkt die bis dahin von der Scottish National Party praktizierte Form kulturellen Nationalismus als „Tartanry" ablehnte, Nationalismus insgesamt jedoch ambivalent gegenüberstand.

Die unterschiedlichen Positionen des 1917 in Alexandria geborenen und auf Umwegen während der turbulenten 1930er Jahre in das Vereinigte Königreich eingewanderten Hobsbawm und des 1932 in Schottland geborenen und aufgewachsenen Nairn lassen sich zum Teil biographisch und generationell erklären. Sie verweisen jedoch auch auf eine grundsätzliche ideologische Auseinandersetzung innerhalb unterschiedlicher Strömungen des Marxismus. Schon seit Lenin, Rosa Luxemburg und Leo Trotzki wurde über die Haltung der Linken zu Nationalismus diskutiert. Im politischen Kontext der 1960er und 1970er Jahre wurde das Thema wieder aktuell: Bildeten die Wahlerfolge der nationalistischen Scottish National Party und Plaid Cymru in Nachwahlen 1966 und 1967 sowie in den Parlamentswahlen von 1974 den Ausgangspunkt für Nairns Analyse, so waren sein Buch und die Auseinandersetzung damit auch ein Kommentar zur Lage und den Zukunftsaussichten des Vereinigten Königreichs – einem Staat, den Nairn angesichts der Erfolge nationalistischer Parteien 1977 vor dem Auseinanderbrechen sah. Der Politologe ordnete sich damit in die zu dieser Zeit meist von linksliberaler Seite vorgetragenen Gegenwartsdiagnosen ein, die den Niedergang des Vereinigten Königreichs als eine Tatsache betrachteten und erklären wollten. Je nach Autor galten unterschiedliche Aspekte des britischen Wirtschafts- und Regierungssystems, aber auch des Bildungswesens gegenüber anderen europäischen Staaten als defizitär. Nairn sah die Gründe in der historischen Entwicklung des britischen Staats selbst. Er verstand diesen Niedergang dabei als absolut, das heißt, für ihn stellte sich nicht die Frage, ob sich das Vereinigte Königreich im Vergleich zu anderen Ländern in der Krise befinde, sondern er war davon überzeugt, dass das Vereinigte Königreich auseinanderbrechen werde – es stellte sich nur die Frage zu welchem Zeitpunkt. Die damalige politische Situation im Vereinigten Königreich schien Nairn recht zu geben: Streiks, Ölkrise, Drei-Tage-Woche, Nationalismus in Schottland und Wales und Bürgerkrieg in Nordirland konnten als Indikatoren für die Krise des britischen Staates und den bevorstehenden „Niedergang Großbritanniens" gelesen werden.

1. Der Falklandkrieg 1982, die Neue Linke und Patriotismus

In den frühen 1980er Jahren führte vor allem ein Ereignis dazu, dass die Themen von Nationalismus und Patriotismus über das Milieu der Neuen Linken hinaus Aufmerksamkeit erhielten: Die Invasion der Falklandinseln (oder Malvinas) durch das argentinische Militär im Frühjahr 1982. Der Konflikt im Südatlantik förderte einen im Gewand von Patriotismus auftretenden britischen Nationalismus in Politik und Presse zu Tage, der in allen politischen Lagern gefunden werden konnte – linker Kritik an konservativem „Jingoismus" zum Trotz. Die aus der Sicht linker Intellektueller beunruhigende Beobachtung war jedoch, dass solche nationalistischen Positionen nicht allein von der Boulevardpresse, sondern auch von Labour-Politikern und gemäßigten Publikationen vertreten wurden. Der Falklandkonflikt stellte die Linke innerhalb Labours und die Neue Linke damit vor ein politisches wie intellektuelles Problem. Zum einen ging es hier um Fragen der politischen Mobilisierung: Hatten die Umfragewerte der Premierministerin und der Konservativen Partei vor Beginn des Krieges auf einem historischen Tief gelegen, verzeichneten beide gerade zu Beginn des Konfliktes einen deutlichen Zuwachs. Die Zustimmungsrate der Labour Party sank hingegen von 40 Prozent auf 26 Prozent, stieg dann jedoch wieder auf 37 Prozent an. Die Conservative Party schien damit die politische Klaviatur des Patriotismus besser zu beherrschen. Zum anderen entpuppte sich damit die Annahme, dass die Arbeiterklasse aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit gegen patriotische Exzesse immun sei, als frommer Wunsch; Nairns Kritikern wurde der Wind aus den Segeln genommen. Der Guardian-Kolumnist Peter Jenkins resümierte: „Patriotism has worked its old magic with the working class and trade unionists [...] A spirit of nationalism has been aroused and it will linger on beyond the quieting of the guns." Auch Tom Nairn hielt fest: „The real England is irredeemably Tory. This is the message of the South Atlantic War."

Studien, die sich mit Fragen von Nationalismus und Patriotismus beschäftigten, wurden in diesem Kontext verstärkt rezipiert. Ernest Gellner publizierte 1983 seine grundlegende Monographie „Nations and Nationalism"; John Breuilly richtete den Fokus auf den Staat und warf die Frage auf, warum Nationalismus politisch bedeutsam werden konnte, während Anthony D. Smith Nationalismus als Reaktion auf ein Demokratiedefizit verstand.

Hier sind jedoch drei Faktoren zu beachten. Der Effekt des Falklandkonflikts zeigte sich vor allem in der Aufmerksamkeitsökonomie. Wissenschaftlich blieben zunächst die Fragen der Debatte um Nairns Thesen entscheidend. Dies lag nicht zuletzt an den Publikationskontexten: Denn die grundlegenden Studien von Gellner, Breuilly, Smith waren in der Regel bereits vor dem Falklandkrieg konzeptioniert. Das gilt auch für Benedict Anderson und Eric Hobsbawm, die beiden Autoren, die für den wissenschaftlichen Perspektivwechsel des Forschungsfeldes wohl den bedeutendsten Beitrag geleistet haben. Denn während vor allem Gellner und Smith – und deren wissenschaftliche Differenzen – in den 1980er und 1990er Jahren die institutionalisierte Forschung zu Nationalismus in Großbritannien bestimmen sollten, ist es in den Worten Siegfried Weichleins seit Hobsbawms „Invention of Tradition" und vor allem Andersons „Imagined Communities" „Gemeingut, dass Nationen imaginiert und Traditionen ‚invented' sind". Vor allem Anderson trug dazu bei, die wissenschaftliche Perspektive zu verändern: Nicht mehr Nationalismus als Ideologie, sondern die Mechanismen nationaler Zugehörigkeit standen stärker im Fokus – eine Sichtweise, die die Adoption des Begriffs der „Identität" aus den amerikanischen Sozialwissenschaften in die Nationalismusforschung präfigurierte. Der Perspektivwechsel, der aus der im weiteren Sinne kulturhistorischen Sichtweise stammt, hängt jedoch eng mit den Fragen zusammen, die in den 1970er Jahren debattiert wurden.

Diese Fragen wurden nun drittens über den engen Kontext der neuen Linken hinaus in der wissenschaftlichen Nationalismusforschung diskutiert. Dies beeinflusste sowohl die Rezeption als auch die Entpolitisierung der Debatte.

2. Nationalismusforschung mit neuer Perspektive? Eric Hobsbawm, Benedict Anderson und der kulturhistorische Blick auf Nationalismus

Im britischen Kontext nahm zunächst Eric Hobsbawms Beitrag einen größeren Stellenwert ein. Hobsbawm vertrat die Idee, dass vermeintlich alte nationale Traditionen oft tatsächlich eine „Erfindung" jüngeren Datums seien. Diese These wurde prominent in einem im Jahr 1983 zusammen mit Terence Ranger publizierten Sammelband „The Invention of Tradition" vertreten. Für den Band verfasste Hobsbawm eine programmatische Einleitung, in der er die Kernpunkte seiner These der „erfundenen Traditionen" erläuterte: Diese verstand er als ein

„set of practices, normally governed by overtly or tacitly accepted rules and of a ritual or symbolic nature, which seek to inculcate certain values and norms of behaviours by repetition, which automatically implies continuity with the past."

In Zeiten schnellen sozialen Wandels wie im 18. und im 19. Jahrhundert seien die alten traditionellen Formen der Sinnstiftung nicht flexibel genug gewesen, um soziale Ordnung zu bewahren; daher seien neue Formen von Ordnung aufgekommen, unter anderem Nationalismus. Zur Legitimierung dieser Ordnungsformen sei es notwendig gewesen, eine historische Kontinuität zu „erfinden"; diese Traditionen wurden damit zu einem Werkzeug, aber auch einem Distinktionsmerkmal von Eliten. Hobsbawms These wurde in Aufsätzen einer Reihe anerkannter Wissenschaftler ausgeführt, so steuerten neben Hobsbawm und Ranger selbst unter anderem Hugh Trevor Roper und David Cannadine Beiträge bei.

„The Invention of Tradition" war ein voller Erfolg über die engen Fachgrenzen hinaus. Der Sammelband zeigt, wie Hobsbawm die Debatte mit Tom Nairn über die Haltung der Linken zum Nationalismus wissenschaftlich fruchtbar machte. Dabei blieb Hobsbawm in seinem Begriff von Nationalismus in etablierten Bahnen, den er weiterhin im Sinne Gellners als Ideologie und als Phänomen der Moderne verstand. Konzeptionell baute Hobsbawm damit auf Parametern der Nationalismusforschung auf. Nicht nur das: Auch das Moment der „Erfindung" der Nation war bereits von Gellner betont worden – allerdings noch stärker negativ im Sinne eines expliziten Betrugs von Eliten an der Bevölkerung. Dabei hatte sich seit seiner Kritik an Nairn seine eigene politische Einstellung zu Nationalismus durchaus geändert. Zwar misstraute er weiterhin Nationalismus als solchem, aber gerade der Falklandkonflikt habe bewiesen, dass Nationalismus als politische Realität nicht zu unterschätzen sei. Hobsbawm sah nun eine gezielte Nutzbarmachung nationalistischer Gefühle als legitim an, um für Fortschritt zu kämpfen. Privat hingegen sympathisierte er mit den Nationalismen ‚kleiner' Bevölkerungsgruppen innerhalb größeren Staaten, die sich aktiv um die Etablierung einer separaten Kultur bemühten. Aus dem Skeptiker, der jede Form von Nationalismus abgelehnt hatte, war ein politischer Pragmatiker geworden. Hobsbawm stand innerhalb der Linken nicht allein mit seiner Forderung. Seine Haltung spiegelt die Widersprüche, in der sich der Historiker als Wissenschaftler und Marxist befand.

Bewegte sich Hobsbawm in seinem Verständnis von Nationalismus wissenschaftlich auf etablierten Bahnen, schlug Benedict Anderson neue Wege ein. Der Professor für International Studies an der Cornell University und ausgewiesene Südostasienexperte schaltete sich 1983 in die nicht zuletzt durch Hobsbawm in die Nationalismusforschung geöffnete Debatte der britischen Neuen Linken ein – und zwar mit einem konzeptionellen Paukenschlag, durch den Fragen nationaler Zugehörigkeit in das Zentrum rückten, die nachfolgende Forscher mit dem Begriff „nationaler Identität" zu beantworten suchten.

Auch Benedict Anderson näherte sich der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalismus aus einer politischen Position heraus an. Der seit 1958 in den USA lebende Anderson hatte ein kompliziertes Verhältnis zu Großbritannien. Zwar hatte er mit dem Eton College und der University of Cambridge zumindest zeitweise Bastionen des britischen Establishments besucht, sah er sich doch zugleich in einer inneren Distanz zum Vereinigten Königreich. Nach Andersons Auffassung hatten Forscher wie Ernest Gellner und Eric Hobsbawm wegen ihrer Erfahrung von Migration und Vertreibung eine deutlich positivere Sicht auf Großbritannien. In seinen Memoiren gab er an, dass ihm als gebürtigem Iren hingegen die Kritik Nairns am Vereinigten Königreich mit Genugtuung erfüllt habe. Konsequenterweise bezog sich Anderson in der Einleitung von „Imagined Communities" affirmativ auf Nairns Thesen und verstand sein Buch als polemischen Debattenbeitrag gegen das Feld der britischen Nationalismusforschung -– eine Einordnung, die wenig rezipiert wurde.

Die Nähe zur Neuen Linken ergab sich für Anderson aber nicht nur aus politischen Überzeugungen, sondern auch aus persönlichen Beziehungen. Er gab in seiner Autobiographie an, dass sein Werk stark von seinem Bruder Perry Anderson beeinflusst gewesen sei, dem Herausgeber der „New Left Review" und zentralen Intellektuellen der zweiten britischen Neuen Linken sowie ehemaligen Kooperationspartner von Nairn. Durch die jahrelange Lektüre der von seinem Bruder herausgegebenen Zeitschrift habe er die Debatte innerhalb der Neuen Linken verfolgt. Aufgrund dieser inhaltlichen wie persönlichen Nähe überrascht es wenig, dass sein Debattenbeitrag „Imagined Communities" ebenso wie Nairns „The Break-up of Britain" bei Verso erschien.

Die Neuerung in Andersons Ansatz lag zum einen in seiner Definition der Begriffe Nation und Nationalismus, zum anderen in seiner Lesart ihrer Entwicklung. Ausgangspunkt war die Frage, wie sich Menschen, die sich nicht kennen, in einer Art „kameradschaftlichem Verbund von Gleichen" dennoch einer Gemeinschaft zugehörig fühlen können. Nationen stellten demnach „vorgestellte Gemeinschaften" dar: „imagined as both inherently limited and sovereign". Dieses Verständnis von Nation hatte auch Auswirkungen auf das Verständnis von Nationalismus als wissenschaftliches Konzept: Um den Begriff nicht zu reifizieren und seiner Funktionsweise im Prozess der Gemeinschaftsbildung gerecht zur werden, schlug Anderson vor, ihn wie Religion oder Verwandtschaft zu verstehen; eine Definition, die deutlich umfassender war, als die in der Nationalismusforschung seit Gellner favorisierte Definition von Nationalismus als politischer Ideologie.

Anderson präsentierte eine Nationalismustheorie, die zwar eng vom strukturellen Entstehungskontext her gedacht war, Nation und Nationalismus aber nahezu kulturhistorisch herleitete und sich vom stark eurozentrischen Fokus bisheriger Forschung löste. Auch hier waren Nationen in Anlehnung an Gellner grundlegend moderne Phänomene. Drei Faktoren seien in ihrer historischen Entwicklung zentral gewesen: Die Ausbreitung des Printkapitalismus, die Rolle früher Nationalbewegungen in Lateinamerika sowie die Veränderung von Zeitvorstellungen. Wirkte der Printkapitalismus als homogenisierende und standardisierende Kraft von Sprachen, aber auch von Zeitvorstellungen, entwickelten „kreolischen Pioniere" – Personen, die Sprache und Herkunft mit den Personen teilten, gegen die sie kämpften – nationalistische Politik im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, und damit vor den europäischen Ländern.

Eric Hobsbawm und Benedict Anderson nehmen eine wichtige Mittlerposition zwischen den Debatten der britischen Neuen Linken in den 1970er Jahren und der interdisziplinären Nationalismusforschung ein, die nicht zuletzt durch die Beiträge der beiden Wissenschaftler inhaltlich und konzeptionell Neuland betrat. Sie antworteten mit ihren Forschungen auf Fragen, die von Tom Nairns Diagnose des „break-up of Britain" aufgeworfen worden waren, nämlich warum Menschen sich zu einer Nation zugehörig fühlen und worin das kulturelle Bindemittel besteht, das diese Nation zusammenhielt. Diese Perspektive, die in der Auseinandersetzung mit und der Rezeption von Nairns Thesen entwickelt wurde, ist zentral. Denn gerade „Imagined Communities" wurde schon bald weniger wegen seiner inhaltlichen Argumentation, sondern aufgrund der wissenschaftlichen Perspektive zu einem Kürzel. Dass sich diese sehr anschlussfähig an die kulturhistorische Wende in den Geisteswissenschaften zeigte, hat zu der Rezeption der Thesen Hobsbawm, aber vor allem Andersons beigetragen. Diese Perspektive bietet auch den Schlüssel, um die darauffolgenden konzeptionellen Veränderungen des Feldes zu verstehen, zu denen nicht in geringem Maß die Verwendung der „nationalen Identität" als analytisches Konzept gehörte. Denn gerade diese Analysekategorie zielte auf die Untersuchung der Faktoren, die nationalen Zusammenhalt gewährleisteten.

Die Bedeutung von Andersons, aber auch von Hobsbawms Publikationen ergibt sich daher weniger aus der völligen Neuartigkeit ihrer Thesen oder Argumentationen. Wie Philipp Sarasin, Dieter Langewiesche und Siegfried Weichlein dargelegt haben, war Anderson – ebenso wie Eric Hobsbawm – bei weitem nicht der oder die erste Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler, deren Nationsbegriff als konstruktivistisch bezeichnet werden kann. Ihre Bedeutung ergibt sich vielmehr aus dem zeitlichen Kontext, der ihnen erlaubte, eine herausgehobene Position innerhalb der Nationalismusforschung zu erreichen und anschlussfähig an geisteswissenschaftliche Disziplinen zu sein. Zumindest im Falle Hobsbawms war hier die Wahl des Publikationsorgans ein wichtiger Faktor. Denn im Gegensatz zu Nairn, dessen institutionelle Anbindung lose war und der für die Publikation seiner Thesen mit der „New Left Review" kein dezidiertes Fachjournal gewählt hatte, bewegte sich Hobsbawm qua Verlagshaus Cambridge University Press und Kooperationspartner fest im Kontext der akademischen Nationalismusforschung. Gerade durch diese bewusst akademische Verortung wurden die Voraussetzungen geschaffen, die Perspektive auf Nationalismus als kulturellen Kitt zu entpolitisieren.

Die Nationalismusforscher waren freilich nicht die ersten in der britischen Neuen Linken, die sich mit Fragen von Zugehörigkeit beschäftigten. Bevor die Nationalismusforschung den Begriff in breiterem Maße für sich entdeckte, hatten mehrheitlich Schwarze Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Kulturtheoretikerinnen und Kulturtheoretiker, ebenfalls der britischen Neuen Linken zugehörig, den Begriff bereits aus dem amerikanischen Debattenkontext adaptiert, und zwar in der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichem Rassismus sowie der gesellschaftlichen Zugehörigkeit (post-)kolonialer Einwanderer. In diesen Debatten ging es weniger um kollektive Vergemeinschaftungsprozesse einer Nation, die mit dem Begriff „nationaler Identität" beschrieben werden konnten. Anstelle dessen wurde Zugehörigkeit aus der Marginalisierung und dem potenziellen Konflikt unterschiedlicher Kulturen diskutiert. Das hatte auch Auswirkungen auf das Konzept von Identität an sich: Das Adjektiv „national" wurde in diesem Kontext nur eins von mehreren möglichen Attributen, die „Identität" näher bestimmten. Am Ende der Debatten stand sowohl die Ausformulierung des kulturwissenschaftlichen Begriffs von Identität als auch die Entstehung unterschiedlicher Fachtraditionen im wissenschaftlichen Umgang mit diesem anschlussfähigen Konzept.

II. „Race" und Identität in der „black radical sphere": neue Fragen, neue Ansätze

Diese „Black intellectuals" werden in den meisten Darstellungen zur Geschichte der Neuen Linken oft nicht behandelt, stellen aber, wie zuletzt Rob Waters dargelegt hat, einen eigenständigen, transnational ausgelegten Diskussionsraum innerhalb der Neuen Linken dar, die „black radical sphere". Hochschulehrerinnen und Hochschullehrer, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Mitarbeitende an Forschungsinstituten und Think Tanks rezipierten zwar die Debatten der Neuen Linken, setzten mit den Themen Rassismus und Fragen gesellschaftlicher Zugehörigkeit von Immigrantinnen und Immigranten aus dem sogenannten „New Commonwealth" auch eigene Themen. Im Kontext dieser Debatten um „race" und Rassismus avancierte „Identität" zu einer Kategorie, mit der die Erfahrung der Marginalisierung artikuliert werden konnte.

Zentrales Bindeglied zwischen diesen Debattenräumen und maßgeblicher Motor der Auseinandersetzung um „Identität" war Stuart Hall. Der 1951 aus Jamaica eingewanderte Wissenschaftler war als Teil des Oxforder Kreises um die Zeitschrift „The Universities and Left Review" und für kurze Zeit als Herausgeber der „New Left Review" einerseits eine zentrale Figur der ‚klassischen' Neuen Linken. Als Direktor (1966–1979) des an der University of Birmingham angesiedelten Centre for Contemporary Cultural Studies war er andererseits auch Teil und maßgeblicher Motor eines zunehmend postkolonialen Debattenraums, der in engem Austausch mit weiteren kritischen, sich dezidiert als politisch „Schwarz" verstehenden Netzwerken linker Intellektueller stand. Die Forschung am Centre prägte eine kulturwissenschaftliche Lesart des Identitätsbegriff entscheidend mit: Diesen verstand man als konstruiert, durch das Zusammenspiel gesellschaftlicher Differenzkategorien definiert und grundlegend politisch.

Zwei Stränge der Debatte sind zentral: Ein erster eher akademischer, der durch die kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit britischem Rassismus gekennzeichnet war, und ein zweiter eher politischer, in dem angesichts von eben jenem Rassismus Fragen von gesellschaftlicher Zugehörigkeit behandelt wurden.

1. „Race" in den Debatten der britischen Kulturwissenschaften

In den Debatten ging es zunächst weniger um Identität, sondern um „race". In der Wendung zu „race" als zentraler wissenschaftlicher Kategorie für die Analyse gesellschaftlicher Ungleichheiten fielen mehrere Faktoren zusammen: die Wahrnehmung und Theoretisierung eines verschärft autoritären politischen Diskurses, die (teils persönlich erfahrene) Diskriminierung ethnischer Minderheiten sowie die neue Zugänglichkeit (post-)strukturalistischer und postmoderner Theoretiker durch Übersetzungen und Neuerscheinungen. Dabei wurde diese Differenzkategorie jedoch selbst grundlegend umgedeutet; eine Neudefinition, die wiederum elementar für die konzeptionelle Neuausrichtung des Begriffs der Identität war.

Das Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) erforschte in den 1970er Jahren zunehmend gesellschaftlichen Rassismus in Großbritannien – ein Reizthema in einer öffentlichen Debatte, in der seit Mitte der 1960er Jahren Politiker wie Enoch Powell oder Peter Griffiths mit offen rassistischen Positionen Wahlkampf machten, Einwanderungsbeschränkungen mehrfach verschärft wurden und die Sorge vor Unruhen und Übergriffen auf Seiten der Einwanderer, aber auch in der „Mehrheitsgesellschaft" zunahmen. Das CCCS war für diese Anliegen gut vorbereitet: Das 1964 zur Erforschung zeitgenössischer kultureller Fragestellungen gegründete Zentrum an der University of Birmingham hatte sich unter der Leitung Stuart Halls verstärkt der wissenschaftlichen Analyse gesellschaftlicher Probleme mit politisch-kritischem Impetus zugewandt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Centre – oft Doktorandinnen und Doktoranden sowie MA-Studierende – diagnostizierten eine neue Form eines kulturell basierten Rassismus, der sich von früheren, rein biologischen Varianten unterscheide und genuin historisch verstanden werden müsse. Dieser manifestiere sich in einem durch Enoch Powell und später Margaret Thatcher verkörperten „authoritarian populism", dessen Kern – die Parallelen zu Nairn sind offenkundig – in einer umfassenden Krise des britischen Staates liege. Diese sei das Resultat einer Reihe interagierender wirtschaftlicher, politischer, ideologischer und kultureller Prozesse. Diese Analyse bildete die Grundlage für eine Reihe einflussreicher Studien, sei es die Erklärung für das Phänomen des „Thatcherism" („The Great Moving Right Show", 1979) oder über Kampagnen für Recht und Ordnung („Policing the Crisis", 1978).

Besonders der 1982 von der Race and Politics-Group herausgegebene Sammelband „The Empire Strikes Back" (1982) kann als Meilenstein der Diskussionen um „race" am Centre verstanden werden. Die Arbeitsgruppe stellte einen von mehreren Lese- und Studienkreisen des Centre, in denen die Mitglieder in Kleingruppen selbstbestimmt diskutierten und Texte produzierten; hier eben über die Themen Rassismus und „race". In den unterschiedlichen Aufsätzen des Sammelbands fungierte „race" als Differenzkategorie, anhand derer sich die Krise des britischen Staates entlud, und als die Folie, vor der staatliche und mediale Akteure eine weitgehend als homogen aufgefasste nationale Identität konstruieren konnten – bereits hier wurde der Begriff der Identität im Wechselspiel unterschiedlicher Differenzkategorien verwendet. Die Politik von law and order, das Nachdenken über Gewalt und die Verwendung von „race" seien seit den 1960er Jahren demnach eng verknüpft gewesen; der Staat nehme bei der Etablierung von ethnisch-kulturellen Differenzen eine zentrale Rolle ein. Zentral jedoch war, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler „race" als konstruierte Kategorie verstanden, deren jeweilige Zuschreibung konstant gesellschaftlich ausgehandelt wurde.

Die Erweiterung des bisherigen klassen- und medienorientierten Fokus auf die Analyse von „race" erforderte neue ‚Denkwerkzeuge'. Dabei ging es nicht darum, die marxistische und soziologische Analyse von Klasse zu entthronen. Vielmehr schienen die etablierten Ansätze gesellschaftlicher Analyse keine befriedigenden Antworten auf die Fragen sozialer Ungleichheit zu liefern, die im Centre seit den ausgehenden 1970er Jahren gestellt wurden. In konzeptioneller Hinsicht bedienten sich die Wissenschaftler am CCCS undogmatisch einer breiten Auswahl theoretischer Texte. Wie Adrian Mellors im Kontext des CCCS verfasster Forschungsbericht zum Stand der soziologischen Sozialstrukturanalyse von 1979 zeigt, waren es vor allem der Linken zugerechnete, (neo-)marxistische Theoretiker kontinentaler Couleur, die den Weg in das 1966 gegründete Birminghamer Theorie-Seminar fanden, hier vor allem die Arbeiten von Marxisten, Strukturalisten und Poststrukturalisten. Auch die Überlegungen Peter Bergers und Thomas Luckmanns zur gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit wurden rezipiert. Der intellektuelle Austausch mit der „New Left Review", die sich unter Perry Anderson zunehmend der marxistisch-strukturalistischen Theorie französischer Prägung zugewandt hatte, war ein weiterer wichtiger Faktor in der Theorierezeption des CCCS. Der Bezugsraum der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler war nicht nur in ihrer Lektüre dezidiert transnational. Ähnliche Fragen wurden durch die vor allem aus Indien und den USA stammenden Vertreter der Postcolonial Studies gestellt, die in den britischen Cultural Studies rezipiert wurden. Diese Form imperialismuskritischer kulturwissenschaftlicher Analyse hatte ihren Ursprung in Indien in der subaltern study group um den Historiker Ranajit Guha, aber auch in den Arbeiten Edward Saids. Die Kontakte waren auch persönlicher Art: Said besuchte beispielsweise im Mai 1981 das Centre und wurde dort vor seinem Vortrag mit Tee und Toast zum Frühstück empfangen.

Diese internationalen Theoretiker lieferten das Vokabular und die Konzepte, die es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Birmingham ermöglichten, die von ihnen identifizierten Probleme analytisch zu greifen: Durch die Konzepte poststrukturalistischer und sozialkonstruktivistischer Denker war es möglich geworden, „Fakten" als Konstruktion zu verstehen; die hegemonietheoretischen Studien Antonio Gramscis erlaubten es, deren Verstetigung in „common sense"-Praktiken zu analysieren, wie beispielsweise Errol Lawrences Beiträge zu gesellschaftlichem Rassismus und zur soziologischen race relations-Forschung in „The Empire Strikes Back" deutlich machten. Es handelte sich hier aber weder um eine reine Adaption noch bestand im Centre Konsens über eine Auslegung oder gar Anwendung dieser Theorien. Im Gegenteil, gerade die kritische Auseinandersetzung mit den Arbeiten der französischen, amerikanischen, deutschen, aber auch italienischen Wissenschaftler führte zu einer schrittweisen Ausbildung eines spezifisch kulturwissenschaftlichen Begriffs- und Methodenarsenals, das in den 1980er Jahren zunehmend Schule machen sollte und seinerseits wiederum international rezipiert wurde.

Dabei fand diese Hinwendung zu „race" im CCCS nicht in einem konfliktfreien Raum statt. Gerade die Verschiebung des wissenschaftlichen Fokus von Rassismus zur Analyse von „race" als wissenschaftliche Differenzkategorie war von teils heftigen Auseinandersetzungen begleitet, in denen sich wissenschaftliche Grundfragen mit generationellen Spannungen überlagerten. Konkret ging es zunächst darum, „race" als Analysekategorie zu etablieren. Innerhalb des Centre war es vor allem die eben schon genannte Race and Politics-Group um die Doktoranden Paul Gilroy und Hazel Carby. Stuart Hall berichtet aus der Rückschau von teils heftig geführten Diskussionen im basisdemokratischen CCCS, die vor allem „The Empire Strikes Back" vorausgegangen seien. Sowohl in theoretischer als auch politischer Hinsicht sei es der Gruppe um Paul Gilroy schwer gefallen, ihr wissenschaftliches Anliegen im Centre zu etablieren. Hall sah sich selbst als einen der Hinderungsgründe, da er zunächst nicht die Notwendigkeit für einen neuen Ansatz der Analyse von „race" gesehen habe. Auch von Mitgliedern der Race and Politics-Group verfasste Positionspapiere zur allgemeinen Lage des Centre sprachen von der Notwendigkeit, „race" sowohl auf die wissenschaftliche Analyse als auch auf die Centre-internen Machtstrukturen anzuwenden.

Im Konflikt ging es jedoch nicht allein um „race" als Thema der Forschung, sondern auch um die Konzeption des Begriffs als wissenschaftliche Kategorie. Dabei wurden „race" und Identität im Zusammenhang verwendet und kritisiert: Über „race" sprechen setzte die Verwendung von „Identität" als Konzept voraus; konzeptionelle Änderungen im Umgang mit „race" hatten daher auch Auswirkungen darauf, wie Identität verstanden wurde. Bis in die 1970er Jahre hatte vor allem die soziologische race relations-Forschung den Begriff von „race" geprägt. Diese soziologische Erforschung von „Rassenbeziehungen" hatte sich seit den 1950er Jahren in enger Anbindung an die amerikanische Forschung der Chicago School und die Ideen Robert E. Parks sowie des Ökonomen Gunnar Myrdals in Großbritannien entwickelt und sich als eigenständiges Forschungsfeld im Kontext der Unruhen im Londoner Stadtteil Notting Hill im Jahr 1958 etabliert. Die Forscher der race relations definierten in Abgrenzung zu früheren biologischen Konzeptionen „race" als kulturelle Kategorie, gingen aber dennoch von einer grundsätzlichen Differenz unterschiedlicher „Rassen" aus. Sie legten damit einen essentialistischen Kulturbegriff an, der kulturelle Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen perpetuierte. Dies zeigte sich nicht zuletzt am Begriff der „race relations", aber auch der „ethnic communities", der seit den 1960ern verwendet wurde, um den biologischen Essentialismus des „race"-Begriffes zu umgehen und zugleich die Multiethnizität der britischen Gesellschaft anzuerkennen. Denn das damit transportierte Bild einer „multiethnischen Gesellschaft" gründete auf der Vorstellung, dass innerhalb dieser pluralen „Gesellschaft" in sich geschlossene, lokal begrenzte und ethnisch homogene urbane „Einwanderergemeinschaften" existierten, die abgesehen von institutionellen Verbindungen wenig mit der britischen „Mehrheitsgesellschaft" teilten. Letztlich bedeutete dies, dass Einwanderer aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes niemals wirklich Teil der britischen Gesellschaft werden konnten: Der Exklusionsmechanismus war im Begriff angelegt.

Diese kulturelle Begründung ethnischer Differenz wurde von Seiten der „black radical sphere" deutlich kritisiert; am prominentesten wohl von den Mitgliedern des Institute of Race Relations. Auch innerhalb des CCCS fand sich deutliche Kritik, am ausführlichsten von Errol Lawrence, seinerzeit MA-Student am Centre. Innerhalb des Centre wurde auch Stuart Hall für die Verwendung wissenschaftlicher Prämissen der klassischen race relations-Soziologie kritisiert: Halls frühere Publikationen zu diesem Thema, hier vor allem der Bericht „The Young Englanders" für das National Committee for Commonwealth Immigrants aus dem Jahr 1967, zeigen, dass die intellektuellen Vorannahmen der race relations-Forschung auch von Hall zunächst übernommen wurden. Sein Schwerpunkt lag auf den Erfahrungen der neu angekommenen Einwanderer und ihrem Platz innerhalb einer postkolonialen Nation. Die jungen Einwanderer stünden vor der Aufgabe, zwei gegensätzliche Identitäten miteinander zu vereinbaren – für Hall eine schier unlösbare Aufgabe. Hall verwendete hier einen essentialistischen Identitätsbegriff, der an die race relations-Soziologie angelehnt war, in dem es vor allem um die Beschreibung der Exklusionserfahrung ging und in dem Einwanderer und Gastgeber als zwei separate Entitäten analysiert wurden. Konzeptionell wie inhaltlich wird an dieser Stelle auch der Einfluss der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung deutlich, die in den 1960er Jahren auch in Großbritannien wichtige Referenzgröße Schwarzer Intellektueller war. Hier wurde, wie Philip Gleason dargelegt hat, das psychologische Konzept der Identität auf eine politische Massenbewegung angewandt und, so möchte man hinzufügen, inhaltlich eng an die Differenzkategorie „race" gebunden.

Ein Jahrzehnt später war diese Sicht überholt. Der Konflikt im CCCS verdeutlicht generationelle Unterschiede zwischen Hall und seinen Doktorandinnen und Doktoranden sowie Studierenden. Eine große Anzahl derer, die in den (späten) 1970er Jahren in das CCCS strömten, besaß zwar wie Hall einen familiären Hintergrund in einer ehemaligen britischen Kolonie, in der Regel der Karibik, war jedoch bereits in Großbritannien geboren, zum Teil mit einem „britischen", das heißt in der Regel weißen Elternteil. Für diese Generation stellten sich die Fragen von „race" und „identity" auf eine andere Weise als für Hall, der durch die Erfahrung der Diaspora geprägt war.

In einer Zeit, in der Personen mit verwandtschaftlichen Verbindungen im New Commonwealth nicht als Briten mit legitimen Ansprüchen auf die britische Staatsbürgerschaft verstanden wurden, sondern als Einwanderer, die in „ethnic communities" lebten, wurde das Thema ihrer gesellschaftlichen Zugehörigkeit zunehmend kontrovers diskutiert. Forscher und Forscherinnen von Institutionen wie dem CCCS oder dem Institute of Race Relations, aber auch Intellektuelle wie das Autorenkollektiv der rassismuskritischen Zeitschrift „Race Today" diskutierten, ob diese Einwanderer Teil der britischen Gesellschaft waren – und ob sie einer Gesellschaft angehören wollten, die viele von ihnen als strukturell rassistisch erlebten. Diese Auseinandersetzung war zwangsläufig kontrovers. Während viele Theoretikerinnen und Theoretiker sowie Aktivistinnen und Aktivisten die britische Gesellschaft aufgrund von Erfahrungen von Rassismus und Exklusion ablehnten, nahmen andere eine positivere Haltung ein: So argumentieren Robin Bunce und Paul Field, dass Darcus Howe und andere Mitglieder des Herausgeberkollektivs von „Race Today" in den 1970er Jahren einen wichtigen Wandel im Selbstbild vollzogen hätten, nämlich „from seeing themselves as immigrants or children of immigrants to identifying themselves as British" und daher ausdrücklich der britischen Gesellschaft angehören wollten.

Gesteigerte Bedeutung erhielten diese Auseinandersetzungen durch die mediale Berichterstattung angesichts von Unruhen in London, Manchester, Liverpool und in einer Reihe weiterer englischer Städte im Frühjahr und Sommer 1981. Berichte über Polizeigewalt von Seiten einheimischer Community Leaders und Betroffener standen im Kontrast zu Ton und Inhalt konservativer Medien und der Reaktion der Regierung Margaret Thatchers, die die randalierenden Jugendlichen, die vorwiegend aus Einwanderergemeinden stammten, alterisierten. Diese Gegenüberstellung trug wenig dazu bei, die Debatte innerhalb der Schwarzen Intellektuellen beizulegen, ob sie als Einwanderer der ersten oder zweiten Generation Teil der britischen Gesellschaft waren und sein wollten.

2. Identität, „Race" und die britischen Kulturwissenschaften

In der wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzung des CCCS mit den Themen von Rassismus und gesellschaftlicher Zugehörigkeit wurde nicht nur der Begriff von „race" konstruktivistisch umgedeutet und aufgewertet, sondern auch der von Identität als eigenständige Analysekategorie etabliert. „Identität" bildete für die britischen Kulturwissenschaften das passende Vehikel, um die Fragmentierung kultureller Erfahrung (post-)kolonialer Einwanderer und ihrer Nachkommen im Nexus von personaler Identität und der Untersuchung rassistischer Alltagserfahrungen zu erklären. Konzeptionell wurden damit sowohl der Begriff von „race" als auch der Begriff der „Identität" neu gefasst: nämlich als sozial konstruiert und im Wechselspiel miteinander. Hatte Hall noch 1967 im Bericht „The Young Englanders" zwischen den unterschiedlichen Identitäten eines Einwanderers unterschieden, galten diese nun wissenschaftlich zunehmend als fluide und durch unterschiedliche, teils miteinander in Konkurrenz oder Konflikt stehende Differenzkategorien gekennzeichnet. „Race", „class" und seit den 1990er Jahren vermehrt auch „gender" wurden damit in den Kulturwissenschaften die Kategorien, entlang derer Identität konstruiert wurde. Erste Ergebnisse solcher intersektionaler Perspektiven finden sich im Centre bereits 1982 in „The Empire Strikes Back": Hazel Carbys Ansatz, die dreifache Benachteiligung schwarzer Frauen durch diese drei Kategorien gesellschaftlicher Ungleichheit zu analysieren, gilt zurecht als einer der grundlegenden Texte intersektionaler Forschung und ist Zeugnis des kreativen Potenzials kollaborativer Arbeit der unterschiedlichen Arbeitsgruppen im CCCS, hier der Women's Studies Group und der Race and Politics Group. Auch Paul Gilroys 1987 publizierte Studie „There Ain't No Black in the Union Jack" kann als Meilenstein der kritischen Verknüpfung von „race" und „class" gelten. Die Arbeit am Centre prägte damit eine kulturwissenschaftliche Lesart des Identitätsbegriff entscheidend mit: Diesen verstand man als konstruiert, durch das Zusammenspiel gesellschaftlicher Differenzkategorien definiert und grundlegend politisch.

III. Die Ausbreitung von Identität in Nationalismusforschung und Cultural Studies

Im transatlantischen Debattenfeld der Kulturwissenschaften nahm der Begriff der „Identität" in den 1980er und 1990er Jahren eine zentrale Rolle ein. Auch wenn die Forscherinnen und Forscher am CCCS nicht die einzigen waren, die sich mit dem Themen „race", Rassismus und Identität in den 1970er und 1980er Jahren beschäftigten und die Publikationen auch oft nicht die abschließende Haltung der noch jungen Autorinnen und Autoren zu ihrem Gegenstand und Ansatz darstellten, waren ihre Arbeiten schulenbildend. Cultural Studies Birminghamscher Prägung wurden in den 1980er Jahren an amerikanischen Universitäten und Colleges rezipiert – und damit auch die Konzepte, die in ihrem Kontext entwickelt wurden. Wichtiger Moment der amerikanischen Verbreitung waren Stuart Halls Vorlesungen zu Cultural Studies an der University of Illinois/Urbana-Champaign im Jahr 1983. Auch nahmen unter anderem mit Hazel Carby und Paul Gilroy CCCS-Alumni Stellen an angesehenen amerikanischen Universitäten an. In der deutschen Amerikanistik und Anglistik, aber auch in Feldern wie Migration Studies oder in intersektionalen Ansätzen wurde der kulturwissenschaftliche Identitätsbegriff rezipiert.

Während die Forscherinnen und Forscher am CCCS über Fragen von Identität und Zugehörigkeit diskutierten, rückte „Identität" auch in den Blick der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung Nationalismus beschäftigten. Der Begriff von Identität, der dabei angelegt wurde, sowie die Perspektive der Fragenden unterschieden sich jedoch zunehmend von denen der britischen Kulturwissenschaften. Bereits Ernest Gellner hatte zur Beschreibung des Prozesses der Nationsbildung den Begriff der Identität bemüht, der allerdings nicht für das Kollektiv, sondern als statische kulturelle (Selbst-)Identifikation des Individuums verstanden wurde. Auch Eric Hobsbawm stand im Mainstream des politischen und wissenschaftlichen Diskurses, als er 1983 den Begriff wie selbstverständlich weiterhin im Sinne von vergleichsweise unreflektierter Identifikation verwendete. Der Blick der Forscherinnen und Forscher ging auf die Mechanismen und Prozesse, die Identifikation mit der Nation garantierten; „Identität", als kollektive, nationale verstanden, war der theoretische Ansatz, um diesen psychologischen und sozialen Prozess zu verstehen. Die Stoßrichtung war damit inklusiv. Fragten die Forscherinnen und Forscher der Cultural Studies zunehmend nach der Komplexität unterschiedlicher Faktoren der Identitätskonstruktion durch Differenzkategorien wie Klasse, Nation, „race", Geschlecht und nach den Mechanismen gesellschaftlicher Marginalisierung, stand hier vor allem der Aspekt der Integration in die nationale Gemeinschaft im Zentrum des Interesses. Anthony D. Smith, Schüler Gellners und einer der zentralen Nationalismusforscher der 1980er und 1990er Jahre, sieht daher – neben der Legitimation gemeinsamer Rechte und Pflichten – vor allem die Kraft nationaler Identitäten, den Platz des Individuums durch die gemeinsame und einzigartige (weil nationale) Kultur in der Welt zu bestimmen, als den zentralen analytischen Wert des Konzepts. Smiths Monographie kann daher als Indikator dafür gelesen werden, wie das Konzept der „nationalen Identität" innerhalb des Feldes der Nationalismusforschung zunehmend Schule machte.

Britische Historikerinnen und Historiker trugen dazu bei, die Forschungen Hobsbawms und Andersons als zentrale Bestandteile der ‚neuen', konstruktivistischen Nationalismusforschung – und damit auch die Hinwendung zu Fragen nach nationalstaatlicher Integration – zu etablieren. Sie interessierten sich zunehmend für Fragen von Patriotismus, Nationalismus und Identität – deutlich weniger jedoch für die Differenzkategorie „race", die politisch weiterhin Domäne der „black radical sphere" und wissenschaftlich der Kulturwissenschaften blieb. „Nationale Identität", nicht intersektionale Ansätze, war konsequenterweise die präferierte Analysekategorie, die ihren Weg in die fachliche Debatte fand. Drei Faktoren spielten dabei eine wichtige Rolle: die politische Diskussion im Kontext des Falklandkonflikts, die Fragen nationalen Zusammenhalts und Patriotismus aufwarf, der gewisse methodologische Nationalismus, der geschichtswissenschaftliches Arbeiten seit der Disziplinierung des Fachs im 19. Jahrhundert prägte, sowie die soziale Zusammensetzung der professionellen britischen Historikerschaft in den frühen 1980er Jahren, in der sich nur wenige Vertreterinnen und Vertreter aus marginalisierten Schichten in zentralen Positionen befanden.

1. Die Historiker und nationale Identität: „Britishness" im Vereinigten Königreich

Besonders sich als „links" identifizierende Geschichtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sahen sich durch ihre eigene Reaktion auf den Falklandkrieg gezwungen, die Themen von Nationalismus und Patriotismus kritisch zu überdenken. Das der Neuen Linken nahestehende History Workshop Movement organisierte unter Leitung von Raphael Samuel im Kontext des Falklandkrieges mehrere große Symposien, die sich mit dem Phänomen des britischen Patriotismus und dem Thema von Großbritannien als Nation befassten. Samuel erinnerte sich im Vorwort zum ersten Tagungsband daran, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit an den Büchern mit ihren eigenen Vorannahmen zu britischem Nationalismus und Patriotismus konfrontiert worden seien. Diese seien bei Weitem nicht so antinational gewesen, wie sie als linke, bewusst antielitäre Historikerinnen und Historiker des History Workshop Movement angenommen hatten. Ebenso seien sie auf ihren unreflektierten Gebrauch der Nationsbezeichnungen „englisch" und „britisch" gestoßen: Samuel gab an, dass die Autorinnen und Autoren mit dem Adjektiv „englisch" eine positivere, folkloristische und mildere Assoziationen verbanden als mit „britisch", das mit dem Nationalstaat, Politik und Verwaltung gleichgesetzt und eher als abstrakter Begriff verstanden wurde. In dem Moment, in dem britische Nationalität als historischer Fakt hinterfragt wurde, wurde die Frage von nationaler Identität als Mechanismus kulturellen Zusammenhalts damit zur zentralen Angelegenheit und analytischen Kategorie der Forscherinnen und Forscher – denn, wie Samuel in der Einleitung festhielt, „nationality no longer belongs to the realm of the taken-for granted".

Die Themen der britischen Nation und des Nationalismus beschäftigten nicht nur Historikerinnen und Historiker, die mit dem sich abseits vom historiographischen Mainstream positionierenden History Workshop Movement assoziiert waren, sondern wurden zunehmend von der breiteren britischen Historikerschaft diskutiert. In der britischen Historiographie, in der angesichts von Gareth Stedman Jones' Monographie über die Chartisten spätestens seit 1983 über den Stellenwert von Sprache diskutiert wurde, konnte das Konzept der „nationalen Identität" helfen, die nun als fragil erfahrene nationale Zugehörigen vor allem von Schottland, zunehmend auch Wales und Nordirland zu analysieren. Für Historikerinnen und Historiker lieferte das Konzept der „nationalen Identität", nun konstruktivistisch verstanden, das methodische Rüstzeug, mit einer kulturhistorischen Perspektive auf die britische Nationalgeschichte zu blicken und verstärkt auf die Bruchlinien in der britischen Nationalstaatsbildung zu achten. Mit dem Begriff der „nationalen Identität" war es möglich geworden, das Problem der nationalen Integration auf wissenschaftlicher Ebene handhabbar zu machen – eben jene Frage, die die Grundlage der historiographischen Debatte um die Ursprünge und Entwicklung von britischer nationaler Identität bildete, die das Fach in den 1990er Jahren beschäftigen sollte und mit Linda Colley vielleicht die bekannteste Protagonistin stellte.

IV. Fazit

Wenn der britische Kulturwissenschaftler Stuart Hall 1996 feststellt, dass es in den Jahren zuvor eine regelrechte diskursive Explosion um den Begriff der Identität gegeben habe, dann liegt er durchaus richtig: Soziologinnen und Soziologen debattierten die Auswirkungen der Globalisierung auf die menschliche Identität; Historikerinnen und Historiker in Großbritannien, aber auch Deutschland und anderen Ländern untersuchen die Mechanismen von Zugehörigkeit und die unterschiedlichen Ausprägungen nationaler Identitäten; intersektionale Studien fragen nach dem Zusammenspiel unterschiedlicher Kategorien von Diskriminierung und Privileg. Halls Aussage verdeckt jedoch die unterschiedlichen Blickwinkel und Konzepte von Zugehörigkeit, mit denen „Identität" in den Geistes- und Sozialwissenschaften belegt wird. In der aktuellen geisteswissenschaftlichen Debatte lassen sich zwei Konzeptionen im Besonderen feststellen: der vor allem in der Geschichtswissenschaft breit rezipierte Begriff der „nationalen Identität", der nach der Erklärung von Gruppenzusammengehörigkeit fragt, und ein kulturwissenschaftlicher Identitätsbegriff, der vor allem in seiner Anfangszeit aus der Position der Marginalisierung nach Konstruktionen von Differenz fragt. Diese Fragerichtungen – als Tendenzen und nicht als absolute Beschreibungen des analytischen Spektrums verstanden – hatten ihren Ursprung in unterschiedlichen Fachtraditionen, an deren Prägung die britische Neue Linken in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren einen entscheidenden Anteil hatte.

Zwei zentrale Diskussionsstränge lassen sich identifizieren: die Debatte über den Stellenwert von Nationalismus im Marxismus, die deutlichen Einfluss auf die Nationalismusforschung hatte, sowie die Auseinandersetzung über Rassismus und gesellschaftliche Zugehörigkeit von (post-)kolonialen Migranten aus dem New Commonwealth. Diese wurden zwar anhand nationaler Belange geführt, waren in ihrem Bezugsfeld jedoch transnational aufgestellt. Beide Stränge waren wissenschaftlich einflussreich: Im Zuge der Auseinandersetzung mit den ‚neuen' Nationalismen anglisierte sich das Feld der Nationalismusforschung in den 1970er Jahren sowohl sprachlich als auch geographisch; wegweisende Studien wurden in den 1970er Jahren von Politologinnen und Politologen, Soziologinnen und Soziologen sowie von Historikerinnen und Historikern verfasst, die ihre institutionelle oder kulturelle Heimat in Großbritannien hatten. Die Cultural Studies hingegen entwickelten sich zu einem angloamerikanischen Feld, in dem auch Forscher des CCCS – zumindest zeitweise – ihre akademische Heimat an amerikanischen Universitäten fanden. Im deutschen Raum wurden die kulturtheoretischen Texte, in denen „race", „class" und „gender" (und eine wachsende Anzahl von Differenzkategorien) eine zentrale analytische Rolle spielten, vor allem in der Amerikanistik und Anglistik rezipiert, während sie in der deutschen Geschichtswissenschaft tendenziell eher weniger repräsentiert sind.

Die unterschiedlichen Konzepte von Identifikation und Zugehörigkeit, die unter dem Begriff der „Identität" in den Geistes- und Kulturwissenschaften verhandelt werden, wurden in einem Umfeld geprägt, in dem Wissenschaft explizit auch immer politisch war: Dies gilt für die ‚klassische' Neue Linke, wie auch für die „back radical sphere", die Schwarzen Intellektuellen, die sich ebenfalls im Kontext der Neuen Linken bewegten – im Falle Stuart Halls auch an zentraler Stelle. Dieser Entstehungskontext ging in der späteren Rezeption jedoch verloren: Andersons und Hobsbawms Studien werden aus dem politischen Kontext herausgelöst und als zentrale theoretische Texte der Nationalismusforschung rezipiert. Der politische Impetus der frühen Cultural Studies hingegen hat sicher eher tradiert und hat auch im Feld weiterhin für Diskussion gesorgt, gerade im Kontext von Identitätspolitik.

Ein Bewusstsein für diese ungleiche Tradierung eröffnet die Möglichkeit, die Konflikte, die unter Historikerinnen und Historikern, aber auch in der breiteren Öffentlichkeit um den Begriff von Identität und vor allem Identitätspolitik seit den 1990er ausgetragen werden, aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Denn wenn der modernisierungstheoretische Unterton und die einseitige politische Aufladung des Identitätsbegriffs im wissenschaftspolitischen Diskurs wegfallen beziehungsweise die vermeintlich unpolitische Kategorie „nationaler Identität" wissenshistorisch einen ebenso politischen Hintergrund erhält, erscheinen diese Konflikte um Identität und Identitätspolitik weniger als grundlegende wissenschaftliche Auseinandersetzungen denn als Konflikte um Deutungshoheit und Sprecherposition. Zu deren Historisierung ist ein kritischer Blick auf das Konzept von „Identität" aus ideenhistorischer Perspektive unumgänglich – doch das wäre das Thema eines anderen Aufsatzes.

Zusammenfassung

Der Begriff der „Identität" ist spätestens seit den 1990er Jahren zu einer zentralen analytischen Kategorie der Geistes- und Sozialwissenschaften aufgestiegen. Der Aufsatz argumentiert, dass sich hier zwei Begriffstraditionen beobachten lassen: eine nach Differenz fragende und eher als politisch wahrgenommene kulturwissenschaftliche Auffassung von Identität sowie eine historische Perspektive, die sich stärker mit Fragen der nationalen Integration und des Zusammenhalts befasst. Dieses Verständnis von Identität wird heute weitgehend als unpolitisch wahrgenommen. Beide Traditionen sind jedoch in einem gemeinsamen, grundlegend politischen Wissenschaftsumfeld geprägt worden. Einflussreich waren hierbei die Debatten der britischen Neuen Linken der 1970er und 1980er Jahre. In diesem Netzwerk von Intellektuellen wurden anhand der Themen Nationalismus und „race" Aspekte kollektiver und personaler Identifikation und Zugehörigkeit an konkreten politischen Anlässen verhandelt. Diese Debatten waren ein wichtiger Faktor dafür, dass sich die beiden unterschiedlichen wissenschaftlichen Verwendungen des Begriffes „Identität" etablieren konnten. Beide Lesarten des Identitätsbegriffs entwickelten sich seit den 1980er Jahren international und fachübergreifend zu wichtigen Analysekategorien. In dieser Rezeption ging der historisch-britische Kontext der Begriffsprägung weitestgehend verloren. Durch die Analyse der konkreten Debatten, die zur Ausformung der verschiedenen Begriffstraditionen beigetragen haben, leistet der Artikel einen Beitrag zur Historisierung des wissenschaftlichen Konzepts der „Identität".

Footnotes 1 Für diese Feststellung vgl. etwa Stuart Hall , Introduction: Who Needs Identity?, in: Ders./Paul Du Gay (Eds.), Questions of Cultural Identity. London 1996, 1--–17, hier 1. 2 Vgl.Helmut Berding , Nationales Bewußtsein und kollektive Identität. Frankfurt am Main 1994; Robert Hettlage (Hrsg.), Kollektive Identität in Krisen. Ethnizität in Religion, Nation, Europa. Opladen 1997; Christian Geulen , Die Metamorphose der Identität. Zur „Langlebigkeit" des Nationalismus. Frankfurt am Main 1998. 3 Mechthild Bereswill (Hrsg.), Intersektionalität und Forschungspraxis. Wechselseitige Herausforderungen. Münster 2015; Vera Knallenberg , „Intersektionalität" als „Histoire croisée": zum Verhältnis von „Intersektionalität", Geschlechterforschung und Geschichtswissenschaften, in: Marita Günther-Saeed/Esther Hornung (Hrsg.), Zwischenbestimmungen. Identität und Geschlecht jenseits der Fixierbarkeit? Würzburg 2012, 75–120; Claudia Ulbrich , Ständische Ungleichheit und Geschlechterforschung, in: Marian Füssel/Thomas Weller (Hrsg.), Soziale Ungleichheit und ständische Gesellschaft. Theorien und Debatten in der Frühneuzeitforschung. Frankfurt am Main 2011, 85–104; Jonathan Saha , Whiteness, Masculinity and the Ambivalent Embodiment of 'British Justice' in Colonial Burma, in: Cultural and Social History 14, 2017, 527–542; Cordelia Beattie/Kirsten A. Fenton (Eds.), Intersections of Gender, Religion and Ethnicity in the Middle Ages. Basingstoke/New York 2011. 4 Hierzu etwa Mervyn F. Bendle , The Crisis of ‚Identity' in High Modernity, in: The British Journal of Sociology 53, 2002, 1–18, hier 1; Frederick Cooper , Kolonialismus denken. Konzepte und Theorien in kritischer Perspektive. Frankfurt am Main 2012, 109; Philip Gleason , Identitfying Identity. A Semantic History, in: Journal of American History 69, 1984, 910–931, hier 910. Mackenzie basierte sein Buch auf einem bereits 1974 gehaltenen Paper, vgl.W. J. M. Mackenzie , Political Identity. Manchester 1978, 11. Für Kritik im deutschen und britischen Kontext vor allem Lutz Niethammer , Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur. Reinbek bei Hamburg 2000, 9–65; Peter Mandler , What Is „National Identity"? Definitions and Applications in Modern British Historiography, in: Modern Intellectual History 3, 2006, 271–297. 5 Niethammer , Kollektive Identität (wie Anm. 4), 9–65, hier vor allem 33–39. 6 Vgl. paradigmatisch Cooper , Kolonialismus denken (wie Anm. 4), 125 f. 7 So diagnostizieren beispielsweise Frederic Cooper und Rogers Brubaker, dass starke Identitätskonzepte nach wie vor in der Literatur zu sozialem Geschlecht, Rasse, Ethnizität und Nationalismus wichtig seien. Ebd. 126. 8 Dieter Langewiesche , Was heißt „Erfindung der Nation"? Nationalgeschichte als Artefakt – oder Geschichtsdeutung als Machtkampf, in: HZ 277, 2003, 593–617; Siegfried Weichlein , Nationalismus und Nationalstaat in Deutschland und Europa. Ein Forschungsüberblick, in: NPL 51, 2006, 265–351, hier 300 f.; Dieter Langewiesche , Nation, Nationalismus, Nationalstaat: Forschungsstand und Forschungsperspektiven, in: NPL 40, 1995, 190–236, hier 194, 198. 9 Für einen kurzen Abriss der Geschichte der britischen Neuen Linken Wade Matthews , The New Left, National Identity, and the Break-up of Britain. Leiden/Boston 2013, 1–25. Zur Geschichte der Neuen Linken von den 1940er bis in die 1970er Jahre vgl. auch Dennis L. Dworkin , Cultural Marxism in Postwar Britain. History, the New Left, and the Origins of Cultural Studies. Durham, NC 1997; Stuart Hall , Life and Times of the First New Left, in: New Left Review 61, 2010, 177–196.Holger Nehring , „Out of Apathy": Genealogies of the British „New Left" in a Transnational Context, 1956–1962, in: Martin Klimke/Jacco Pekelder/Joachim Scharloth (Eds.), Between Prague Spring and French May. Opposition and Revolt in Europe, 1960–1980. New York 2011, 15–31. Den Blick vor allem auf die politische Organisation der Neuen Linken zwischen 1956 und 1962 analysiert hingegen Michael Kenny , The First New Left. British Intellectuals after Stalin. London 1995. Zum „Schwarzen" Flügel der Neuen Linken Rob Waters , Thinking Black: Britain, 1964–1985. Oakland, CA 2019, 13. Zum kreativen Diskussionsraum der Neuen Linken vgl. auch Matthews , The New Left (wie Anm. 9), 23; Perry Anderson , English Questions. London 1992, 197. Vgl. hierzu Odo Marquard/Karlheinz Stierle (Hrsg.), Identität. München 1979. Diese werden in den meisten Darstellungen zur Geschichte der Neuen Linken oft nicht behandelt, bildeten aber, wie zuletzt Rob Waters dargelegt hat, eine eigenständige „black radical sphere", in der zwar die Themen der übrigen Neuen Linken rezipiert wurden, mit Fragen von „race" und Debatten über Zugehörigkeit jedoch auch genuin „schwarze" Themen gesetzt wurden.Waters , Thinking Black (wie Anm. 9), 13. Vgl. auch Kennetta Hammond Perry , Black Britain and the Politics of Race in the 20th Century, in: History Compass 12, 2014, 651–663, hier 656 f. Wichtige Impulse bieten hier die Arbeiten von Wade Matthews, der sich mit der „nationalen Frage" innerhalb der Neuen Linken beschäftigt hat.Wade Matthews , Class, Nation, and Capitalist Globalization: Eric Hobsbawm and the National Question, in: IRSH 53, 2008, 63–99; ders. , The New Left (wie Anm. 9). Gleason , Identifying Identity (wie Anm. 4), 927–929; Ingrid Jungwirth , Zum Identitätsdiskurs in den Sozialwissenschaften. Eine postkolonial und queer informierte Kritik an George H. Mead, Erik H. Erikson und Erving Goffman. Bielefeld 2007, 10; Mandler , What is National Identity (wie Anm. 4). Der genaue Weg des Transfers stellt jedoch weiterhin ein Desiderat der Forschung dar. Zur besonderen, historisch bedingten Rolle Schottlands vgl.Tom Nairn , The Break-up of Britain. Crisis and Neo-nationalism. London 1977, 116 f. Ebd. 348. Ebd. Ebd. 350–352. Ebd. 353 f. Nicht zuletzt aufgrund seines Gegenstands wurde Nairns Buch jedoch vor allem innerhalb des Vereinigten Königreichs rezipiert.⁠ Joan Cocks , Passion and Paradox. Intellectuals Confront the National Question. Princeton, NJ/Oxford 2002, 115. Gerade internationale Kollegen kommentierten Nairns Monographie kritisch, vgl. ⁠ J. M. Blaut , Nairn on Nationalism, in: Antipode 12, 1980, 1–17, hier 2–5, 9, 14, 16. Vgl.Blaut : Nairn on Nationalism (wie Anm. 20), 1; Michael Mann , Review: The Break-up of Britain: Crisis and Neo-Nationalism, in: The British Journal of Sociology 29, 1978, 528–530, hier 529 f. Vielleicht am schärfsten jedoch urteilte K. P. Magyar , The Break-up of Britain: Crisis and Neo-Nationalism. By Tom Nairn, in: Political Research Quarterly 31, 1978, 580. R. W. Johnson , Nairn and the Break-up of Britain, in: Political Studies 26, 1978, 119–122, hier 119. John G. Carney , Review: The Break-up of Britain: Crisis and Neo-nationalism by Tom Nairn, in: Town Planning Review 50, 1979, 109–110, hier 109. Gellner betrachtete die politische Ideologie des Nationalismus als Teil der strukturellen Modernisierungsprozesse des 19. Jahrhunderts, durch die die bis dahin gültige gesellschaftliche und kulturelle Ordnung aus dem Gleichgewicht gebracht worden sei.Ernest Gellner , Thought and Change. London 1964, 155. Ernest Gellner , Nationalism, or the New Confessions of a Justified Edinburgh Sinner, in: The Political Quarterly 49, 1978, 103–111, hier 106. Matthews , The New Left (wie Anm. 9), 272. Eric J. Hobsbawm , Some Reflections on 'The Break-up of Britain', in: New Left Review 105, 1977, 3–23, hier 8 f. Nairn , The Break-up of Britain (wie Anm. 15), 162–165. Erst Mitte der 1990er sollte er als schottischer Nationalist in Erscheinung treten, als die SNP sich – nicht zuletzt unter seinem intellektuellen Einfluss – politisch grundlegend neu positioniert hatte.⁠ Zu Nairns Einfluss auf die SNP vgl.Willie Thompson , Tom Nairn and the Crisis of the British State, in: Contemporary Record 6, 2008, 306–325, hier 314. Zur Neuausrichtung der SNP in den 1980er Jahren Ben Jackson , The Break-up of Britain? The Left and Scottish Nationalism, in: Renewal 22, 2014, 15–23, hier 16 f. Vgl.Umut Özkirimli , Theories of Nationalism. A Critical Introduction. 2. Aufl. Basingstoke 2010, 102. Michael Löwy , Marxists and the National Question, in: New Left Review 96, 1976, 81–100.⁠ Zur Luxemburg-Lenin-Debatte William David Jones , The Lost Debate. German Socialist Intellectuals and Totalitarianism. Urbana, IL 1999, 28 f.; Ephraim Nimni , Marxism and Nationalism. Theoretical Origins of a Political Crisis. London 1991, 44–69. Zum politischen Denken Luxemburgs als engagierte Wissenschaftlerin vgl.Christina Morina , Die Erfindung des Marxismus. Wie eine Idee die Welt eroberte. München 2017, 323–343. Zu den Besonderheiten des britischen Wahlsystems, die diese Sicht begünstigten Michael Münter , Verfassungsreform im Einheitsstaat. Die Politik der Dezentralisierung in Großbritannien. Wiesbaden 2005, 148. Anthony Sampson , Anatomy of Britain. London 1962. Für weitere Beispiele vgl.Correlli Barnett , The Audit of War. The Illusion and Reality of Britain as a Great Nation. Ndr. London 2001; Samuel H. Beer , Britain against Itself. The Political Contradictions of Collectivisms. London 1982; Edward Goldsmith , Can Britain Survive? London 1971; Patrick Hutber (Ed.), What's Wrong with Britain? London 1978; Isaac Kramnick (Ed.), Is Britain Dying? Perspectives on the Current Crisis. Ithaca, NY 1979; Martin J. Wiener , English Culture and the Decline of the Industrial Spirit, 1850–1980. Cambridge 1981. Vgl.Jim Tomlinson , Inventing ‚Decline'. The Falling Behind of the British Economy in the Postwar Years, in: EconHR 49, 1996, 731–757, hier 735. Für eine konzise Zusammenfassung der unterschiedlichen Argumente, die vor allem in den 1970er Jahren vorgebracht wurden Andrew Gamble , Britain in Decline. Economic Policy, Political Strategy and the British State. 4. Aufl. London 1994, 26–28. Damit baute Nairn auf seiner zusammen mit Perry Anderson in den 1960er Jahren entwickelten These auf, die die Gründe für die Krise des britischen Staats in einer verfrühten Entwicklung des englischen Agrarkapitalismus im 16. Jahrhundert lokalisierte. Vgl.Perry Anderson , Origins of the Present Crisis, in: New Left Review 23, 1964, 26–53. Vgl. auch Dworkin , Cultural Marxism in Postwar Britain (wie Anm. 9), 110 f. Dieser Vorwurf lässt sich auch in der Sekundärliteratur finden, vgl. beispielsweise Valerie Adams , The Media and the Falklands Campaign. Basingstoke 1986, 89, 144; Susan L. Carruthers , The Media at War. 2. Aufl. Basingstoke 2011, 121. Hierzu etwa Michael Foot , Falkland Islands, HC Deb 03 April 1982 vol 21 cc638–642. Vgl. auch Anthony Barnett , Iron Britannia, in: New Left Review 134, 1982, 5–96, hier 9 f. Für eine eingehende Diskussion der Presseberichterstattung Gerhard Altmann , Abschied vom Empire. Die innere Dekolonisation Grossbritanniens 1945–1985. Göttingen 2005, 377–386. Zur Medienberichterstattung auch Adams , The Media and the Falklands Campaign (wie Anm. 35); Carruthers , The Media at War (wie Anm. 35), 119–125; Robert Harris , Gotcha! The Media, the Government and the Falklands Crisis. London 1983; Matthew Leggett , The Falklands Conflict: Media Coverage, Propaganda, Jingoism or Journalism?, in: Carine Berbéri/Monia O'Brien Castro (Eds.), 30 Years After. Issues and Representations of the Falklands War. London 2017, 15–22; Derrik Mercer/Geoff Mungham/Kevin Williams , The Fog of War. The Media on the Battlefield. London 1987, 104–139. Als Beispiel für eine triumphalistische und xenophobe Sichtweise vgl. GOTCHA. Our Lads Sink Gunboat and Hole Cruiser, in: The Sun, 4.5.1982, 1. Zum Hintergrund der Presseberichterstattung zum Untergang der Belgrano vgl.Adams , The Media and the Falklands Campaign (wie Anm. 35), 89–93. Die Auseinandersetzung kommt damit deutlich früher als James D. Young angab, der die Debatte erst auf den sichtbaren Zerfall der UdSSR 1988/89 datierte. Vgl.James D. Young/Eric J Hobsbawm , 'Communist' Historian, Companion of Honour and Socialism's Ghosts, in: New Interventions, 10, 2001. (https://www.marxists.org/history/etol/writers/young/hobsbawm/index.htm#n81 [zuletzt abgerufen am 16.11.2020]). Für Diskussion der im Economist abgedruckten Umfragewerte während des Konfliktes vgl.D. George Boyce , The Falklands War. Basingstoke 2005, 167–169. Vgl.Peter Jenkins , Patriotism Has Worked Its Old Magic, in: The Guardian, 16.6.1982, 12. Wie Martina Steber herausgearbeitet hat, gehörte „ nation zum Kernbestand der politischen Sprache des britischen Konservatismus. Die Konservativen verstanden sich als Hüter der Nation, ihrer Geschichte und ihrer Institutionen" – ein Tatbestand, der sich auch in der öffentlichen Wahrnehmung widerspiegelte. Vgl.Martina Steber , Die Hüter der Begriffe. Politische Sprachen des Konservativen in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland, 1945–1980. Berlin 2017, 48. Vgl.Barnett , Iron Britannia (wie Anm. 36), 9 f. Jenkins , Patriotism (wie Anm. 39), 12. Tom Nairn , Britain's Living Legacy, in: Stuart Hall/Martin Jacques (Eds.), The Politics of Thatcherism. London 1983, 281–288, hier 288. Vgl.John Breuilly , Nationalism and the State. Manchester 1982, 1–3; Anthony D. Smith , Nationalism in the Twentieth Century. Oxford 1979, 151 f. Vgl. Der Sammelband „The Invention of Tradition" von Eric Hobsbawm und Terence Ranger, der wie kein zweiter die Konzeption in den 1970er Jahren und die gesteigerte Aufmerksamkeit durch die Falklands verdeutlicht. Denn die Idee des Sammelbands und die zugrunde liegende Konferenz stammten aus der Zeit, in der Hobsbawm die Debatte um Nairns „Break-up of Britain" beschäftigte: Die Publikation beruhte auf einer Konferenz der Past and Present Society und war bereits im April 1978 von Cambridge University Press zur Publikation angenommen worden, nur hatten ausstehende Beiträge und Vertragsverhandlungen der Herausgeber die Publikation verzögert.Richard J. Evans , Eric Hobsbawm. A Life in History. London 2019, 530. Weichlein , Nationalismus und Nationalstaat (wie Anm. 8), 301. Vgl. auch Langewiesche , „Erfindung der Nation" (wie Anm. 8), 593. Eric J. Hobsbawm , Introduction, in: Eric J. Hobsbawm/Terence Ranger (Eds.), The Invention of Tradition. Cambridge 1983, 1–14, hier 1. Ebd. 10 f. Trevor Ropers Beitrag war angesichts der Debatten um die politischen Forderungen und kulturelle Grundierung von schottischem Nationalismus zeitgenössisch auch von politischer Relevanz. Vgl.Hugh Trevor-Roper , The Invention of Tradition. The Highland Tradition of Scotland, in: Hobsbawm/Ranger (Eds.), The Invention of Tradition (wie Anm. 47), 15–41; Hugh Trevor-Roper , Scotching the Myths of Devolution, The Times, 28.4.1976, 14. Der Historiker Richard Evans geht sogar so weit, den Sammelband als Hobsbawms einflussreichestes Buch zu bezeichnen, Evans , Hobsbawm (wie Anm. 45), 530. Gellner bezieht sich dabei auf seinen Kollegen Elie Kedourie. Vgl.Gellner , Thought and Change (wie Anm. 24), 151–153, 169. Eric J. Hobsbawm , Falklands Fallout, in: Hall/Jacques (Eds.), The Politics of Thatcherism (wie Anm. 43), 257–270, hier 265–269. Vgl. E. J. Hobsbawm to J. D. Young, 13 May 1988, zitiert nach: Young/ Hobsbawm , 'Communist' Historian (wie Anm. 37). Auch Evans , Hobsbawm (wie Anm. 45), 551 f. Matthews , Class (wie Anm. 13), 77 f. So forderte der Historiker Robert Gray beispielsweise eine verstärkte Beschäftigung mit Fragen „nationaler Identität" und – aus konkreter politischer Warte – nationaler Interessen. Vgl.Robert Gray , The Falklands Factor, in: Hall/Jacques (Eds.), The Politics of Thatcherism (wie Anm. 43), 271–280, hier 279. Benedict Anderson , A Life beyond Boundaries. A Memoir. London 2016, 124 f. Anderson bezog sich auch in der Einleitung von „Imagined Communities" direkt auf Nairns Thesen. Vgl.Benedict Anderson , Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. Überarbeitete Aufl. London 2006, 3 f; Anderson , Life beyond Boundaries (wie Anm. 56), 124 f. Anderson , Imagined Communities (wie Anm. 57), 6 f. Ebd. 5. Dass dieses Vorhaben ihm jedoch nicht vollständig gelang, belegt die Kritik von Partha Chatterjee , The Nation and its Fragments. Colonial and Postcolonial Histories. Princeton, NJ 1993, 5. Zu kreolischen Pionieren vgl.Anderson , Imagined Communities (wie Anm. 57), 47 f. Zu Zeitvorstellungen Anderson , Life beyond Boundaries (wie Anm. 56), 120. Philipp Sarasin , Die Wirklichkeit der Fiktion. Zum Konzept der Imagined Communities, in: Ulrike Jureit (Hrsg.), Politische Kollektive. Die Konstruktion nationaler, rassischer und ethnischer Gemeinschaften. Münster 2001, 150–176, hier 151. Vgl. auch Langewiesche , „Erfindung der Nation" (wie Anm. 8); Weichlein, Nationalismus und Nationalstaat (wie Anm. 8), 300 f.; Langewiesche : Nation, Nationalismus, Nationalstaat (wie Anm. 8), 194, 198. Zu den Faktoren der Anderson-Rezeption vgl. auch grundlegend Thomas Mergel , Nachwort, in: Benedict Anderson (Hrsg.), Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. 2. Aufl. Frankfurt am Main 2005, 209–215, hier 288–290. Herausgehoben bedeutet jedoch nicht unhinterfragt, wie die primordialistische und ethnosymbolistische Forschung der 1980er und 1990er Jahre beweist, ebenso wie die postkoloniale Kritik vor allem an Andersons Text. Die wiederum selbst Teil transnationaler Netzwerke waren, vgl.Waters , Thinking Black (wie Anm. 9), 3. Vgl. hierzu auch Hammond Perry , Black Britain (wie Anm. 12), 656 f. Vgl. hierzu Waters , Thinking Black (wie Anm. 9), 13. Auch Wade Matthews geht einen anderen Weg, indem er auf Stuart Halls Schriften abseits des Mainstreams der Neuen Linken eingeht, ebd. 174. Das „New Commonwealth" bezeichnet die Gebiete, die erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs dekolonisiert wurden und deren Bevölkerung mehrheitlich nicht-Weiß war. Viele der Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer stammten aus darunter gefassten Ländern. Matthews , The New Left (wie Anm. 9), 159. Hierzu beispielsweise Errol Lawrence , Just Plain Common Sense. The ‚Roots' of Racism, in: Centre for Contemporary Cultural Studies (Ed.), The Empire Strikes Back. Ndr. London 1986, 47–94, hier 47; John Solomos/Bob Findlay/Simon Jones/Paul Gilroy , The Organic Crisis of British Capitalism and Race. The Experience of the Seventies, in: Centre for Contemporary Cultural Studies (Ed.), The Empire Strikes Back, 9–46, hier 14. Vgl.Stuart Hall/Chas Critcher/Tony Jefferson/John Clarke/Brian Roberts , Policing the Crisis. Mugging, the State and Law and Order. London 1978; Solomos/Findlay/Jones/Gilroy , The Organic Crisis (wie Anm. 67). Stuart Hall , The Great Moving Right Show, in: Ders./Jacques (Eds.), The Politics of Thatcherism (wie Anm. 43), 19–39; Hall/Critcher/Jefferson/Clarke/Roberts , Policing the Crisis (wie Anm. 67). Centre for Contemporary Cultural Studies (Ed.), The Empire Strikes Back (wie Anm. 67). Obwohl an dieser Stelle nicht immer deutlich zwischen englisch und britisch differenziert wurde.Lawrence , Just Plain Common Sense (wie Anm. 67), 84 f. Solomos/Findlay/Jones/Gilroy , The Organic Crisis (wie Anm. 67), 11, 17. Adrian Mellor , Theories of Social Stratification. Key Concepts and Recent Developments. CCCS Stencilled Occasional Paper. Birmingham 1972. Vgl. auch Lawrence Grossberg , Introduction: CCCS and the Detour through Theory, in: Ann Gray/Jan Campbell/Mark Erickson/Stuart Hanson/Helen Wood (Eds.), CCCS Selected Working Papers. Vol. 1. 2. Aufl. London/New York 2007, 33–47, hier 33; Stuart Hall , Preface, in: Gray et al. (Eds.), CCCS Selected Working Papers Vol. 1. London/New York 2007, IX–XIV, hier XIII. Vgl.Dworkin , Cultural Marxism in Postwar Britain (wie Anm. 9), 122 f. Oliver Marchart , Cultural Studies. Konstanz 2008, 67. Agenda week commencing 25th May 1981, CCCS Archive, Cadbury Library, Birmingham, USS 78/317. Lawrence , Just Plain Common Sense (wie Anm. 67); Errol Lawrence , In the Abundance of Water the Fool is Thirsty. Sociology and Black 'pathology', in: Centre for Contemporary Cultural Studies (Ed.), The Empire Strikes Back (wie Anm. 67), 95–142. Vgl. auch Kieran Connell/Matthew Hilton , The Working Practices of Birmingham's Centre for Contemporary Cultural Studies, in: Social History 40, 2015, 287–311, hier 291. Vgl.Andreas Hepp/Friedrich Krotz/Tanja Thomas , Einleitung, in: Dies. (Hrsg.), Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden 2009, 7–17, hier 7. Stuart Hall , Cultural Studies and Its Theoretical Legacies, in: Lawrence Grossberg/Cary Nelson/Paula Treichler (Eds.), Cultural Studies. London/New York 1992, 277–294, hier 269. Vgl. auch Matthews , The New Left (wie Anm. 9), 160. Dabei stellten diese Papiere keine Besonderheit im basisdemokratisch verfassten CCCS dar. Vgl. etwa Bob Findlay , Towards Policing the Contradictions, 16.2.1979, CCCS Archive, Cadbury Library, Birmingham, US 119/1/1, Zur soziologischen race relations -Forschung vgl.Sebastian Berg , Der kurze Frühling des britischen Multikulturalismus, in: Gabriele Metzler (Hrsg.), Das Andere denken. Repräsentationen von Migration in Westeuropa und den USA im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2013, 35–54; Reet Tamme , „Promoting Racial Harmony". Race Relations-Forschung und soziale Ungleichheit in Großbritannien in den 1950er bis 1960er Jahren, in: Christiane Reinecke/Thomas Mergel (Hrsg.), Das Soziale ordnen. Sozialwissenschaften und gesellschaftliche Ungleicheit im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2012, 183–217; Reet Tamme , Von den dark strangers zum „Subproletariat". Wissenschaftliche Deutungen der multiethnischen Gesellschaft in Großbritannien von den 1950ern bis Anfang der 1970er Jahre, in: Metzler (Hrsg.), Das Andere denken, 119–153. Zu den Unruhen im Londoner Stadtteil Notting Hill vgl.Sebastian Klöß , „Now we have the problem on our own doorsteps". Soziale Ordnung und Gewalt in den Notting Hill Riots von 1958, in: Jörg Baberowski/Gabriele Metzler (Hrsg.), Gewalträume. Soziale Ordnungen im Ausnahmezustand. Frankfurt am Main 2012, 205–239; Sebastian Klöß , Notting Hill Carnival. Die Aushandlung des Eigenen im multiethnischen Großbritannien seit 1958. Frankfurt am Main 2014. Chris Waters , ‚Dark Strangers' in Our Midst. Discourses of Race and Nation in Britain, 1947–1963, in: Journal of British Studies 36, 1997, 207–238, hier 220. Jennifer Bourne/Ambalavaner Sivanandan , Cheerleaders and Ombudsmen. The Sociology of Race Relations in Great Britain, in: Race & Class 21, 1980, 331–352. Das Institut hatte sich innerhalb weniger Jahre von einer Bastion soziologischer race relations -Forschung zum Zentrum der Kritik des Ansatzes und seiner politischen Implikationen entwickelt. Lawrence , Abundance of Water (wie Anm. 77), 95. Hierzu Claire Alexander , Stuart Hall and 'Race', in: Cultural Studies 23, 2009, 457–482, hier 470. Gleason , Identitfying Identity (wie Anm. 4), 928. Hazel Carby , Introduction to Section 5, in: Gray et al. (Eds.), CCCS Selected Working Papers (wie Anm. 73), 563–570, hier 563. Vgl. hierzu Stuart Hall/Bill Schwarz , Familiar Stranger. A Life between Two Islands. London 2017, 173 f. Aber auch Stuart Hall entwickelte sich zum maßgeblichen Theoretiker innerhalb dieser wissenschaftlichen Debatte und publizierte in den späten 1980er und 1990er Jahren mehrere Artikel zum Thema Identität, in denen er die Themen von „race", „nation" und der Erfahrung von Diaspora kritisch diskutierte, etwa Hall , Introduction (wie Anm. 1); Stuart Hall , Ethnicity, Identity and Difference, in: Geoffrey Eley/Ronald Grigor Suny (Eds.), Becoming National. A Reader. Oxford 1996, 339–349. Robin Bunce/Paul Field , Darcus Howe. A Political Biography. London 2014, 153. Für eine kritische Haltung vgl.Paul Gilroy , Steppin' out of Babylon. Race, Class, and Autonomy, in: Gray et al. (Eds.), CCCS Selected Working Papers (wie Anm. 73), 391–422, hier 303 f. Ausführlicher dazu Almuth Ebke , From 'Bloody Brixton' to 'Burning Britain': Placing the Riots of 1981 in British Post-Imperial History, in: Knud Andresen/Bart van der Steen (Eds.), A European Youth Revolt. London 2016, 258–270. Vgl. ebd. „Already the young immigrant is trying to span the gap between Britain and home [...] There is the identity which belongs to the part of him that is West Indian, or Pakistani or Indian [...] there is also the identity of 'the young Englander' toward which every new experience beckons [...] somehow he must learn to reconcile his two identities and make them one."⁠ Zit. nach Alexander , Stuart Hall (wie Anm. 87), 470. Hazel Carby , White Woman Listen! Black Feminism and the Boundaries of Sisterhood, in: CCCS (Ed.), The Empire Strikes Back (wie Anm. 67), 212–235. Für einen ähnlichen Ansatz, allerdings weniger theoretisiert, vgl. Breeders for Race and Nation. Women and Fascism in Britain today, CCCS Archive, Cadbury Library, Birmingham, US 119/2/2. Paul Gilroy , There Ain't No Black in the Union Jack. The Cultural Politics of Race and Nation. London 1987. Auch Paul Gilroy , One Nation under a Groove. The Cultural Politics of „Race" and Racism in Britain. Oxford 1996, 353. Vgl. hierzu die Arbeiten von Robert Miles, der im direkten Kontakt mit dem CCCS stand und ebenso als Kritiker des race relations -Paradigmas in Erscheinung trat.Robert Miles , Racism and Migrant Labour. London 1982. Paul Gilroy sollte beispielsweise im Jahr 2000 die Abschaffung des Konzepts von „race" fordern und sich kritisch gegenüber dem Konzept der Identität und vor allem der Identitätspolitik äußern,⁠ Paul Gilroy , Between Camps. Race, Identity and Nationalism at the End of the Colour Line. London 2000, 7, 97–99. Stuart Hall/Jennifer Daryl Slack/Lawrence Grossberg , Cultural Studies 1983. A Theoretical History. Durham 2016. Die Rolle von Lawrence Grossberg als Vermittler und Verbreiter der Cultural Studies in den USA wartet noch auf seine Untersuchung. Vgl. hierzu den grundlegenden Sammelband Cary Nelson/Lawrence Grossberg (Eds.), Marxism and the Interpretation of Culture. Basingstoke 1988. Vgl.Gellner , Thought and Change (wie Anm. 24), 157. Eric Hobsbawm , Mass-producing Traditions. Europe, 1870–1914, in: Hobsbawm/Ranger (Eds.), The Invention of Tradition (wie Anm. 47), 263-–307, hier 263. Anthony D. Smith , National Identity. London 1991, 16 f. Dies galt auch für das breitere Fach der Soziologie und die Philosophie, vgl. hierzu Anthony Giddens , Modernity and Self-identity. Self and Society in the Late Modern Age. Cambridge 1991; Charles Taylor , Sources of the Self. The Making of the Modern Identity. Cambridge, MA 1989. Aber auch die Arbeiten von John Breuilly oder Miroslaw Hroch, dessen Klassiker „Die Vorkämpfer der nationalen Bewegungen bei den kleinen Völkern Europas" (1968) im Jahr 1985 ins Englische übersetzt wurde, wurden wichtige Inspirationen. Wie Wade Matthews dargelegt hat, spielte das Thema des imperialen Befreiungskampfes für Intellektuelle wie E. P. Thompson zwar eine Rolle, aber die Nuancen der Debatte um „race" tangierte sie weniger als die Themen von Klasse und Nation – wohl auch, weil die persönliche Betroffenheit fehlte.⁠ Matthews , The New Left (wie Anm. 9), 174. Zum methodologischen Nationalismus in den Geschichtswissenschaften John Davidson , History, Identity and Ethnicity, in: Peter Lambert/Phillipp Schofield (Eds.), Making History. An Introduction to the History and Practices of a Discipline. London/New York 2004, 204–214, hier 204. Raphael Samuel (Ed.), Patriotism. The Making and Unmaking of British National Identity. Vol. 1: History and Politics. London 1989; ders. (Ed.), Patriotism. The Making and Unmaking of British National Identity. Vol. 2: Minorities and Outsiders. London 1989; ders. (Ed.), Patriotism. The Making and Unmaking of British National Identity. Vol. 3: National Fictions. London 1989. Raphael Samuel , Preface, in: Ders. (Ed.), Patriotism. Vol. 1 (wie Anm. 108), X–XVII, hier XI f. Raphael Samuel , Introduction: Exciting to be English, in: Ders. (Ed.), Patriotism. Vol. 1 (wie Anm. 108), XVIII–LXVII, hier XIX. Vgl. auch Christopher Hill , History and Patriotism, in: Raphael Samuel (Ed.), Patriotism. Vol. 1 (wie Anm. 108), 3–17, hier 3; Alun Howkins , A Defence of National History, in: Raphael Samuel (Ed.), Patriotism. Vol. 1 (wie Anm. 108), 18–25, hier 21. Grundlegend hierzu Linda Colley , Britishness and Otherness. An Argument, in: Journal of British Studies 31, 1992, 309–329; dies. , Britons. Forging the Nation, 1707–1837. Überarb. Aufl. New Haven, CT 2009. Hall , Introduction (wie Anm. 1), 1. So beispielsweise Anthony Giddens oder Manuel Castells in einflussreichen Studien.Manuel Castells , Das Informationszeitalter 2. Die Macht der Identität. Opladen 2003; Giddens , Modernity and Self-identity (wie Anm. 104). Vgl.Hettlage (Hrsg.), Kollektive Identität in Krisen (wie Anm. 2); Geulen , Metamorphose der Identität (wie Anm. 2); Colley , Britons (wie Anm. 111); Keith Robbins , Great Britain. Identities, Institutions and the Idea of Britishness. New York 1998; Paul Ward , Britishness since 1870. London 2004. Matthews , The New Left (wie Anm. 9); Kenny , The First New Left (wie Anm. 10); Hall , Life and times of the First New Left (wie Anm. 9); Dworkin , Cultural Marxism in Postwar Britain (wie Anm. 9). Paul Gilroy sprach sich gegen auf „race" basierende Identitätspolitik aus, da diese die Trennung zwischen „schwarz" und „weiß" fortschreibe.Gilroy , Between Camps (wie Anm. 98), 42.

By Almuth Ebke

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Titel:
Identität. Die britische Neue Linke und die politischen Wurzeln eines umstrittenen Konzepts.
Autor/in / Beteiligte Person: Ebke, Almuth
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 315 (2022-10-01), Heft 2, S. 350-384
Veröffentlichung: 2022
Medientyp: academicJournal
ISSN: 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2022-0027
Schlagwort:
  • HUMANITIES
  • SOCIAL sciences
  • CULTURAL studies
  • NATIONAL unification
  • NATIONALISM
  • Subjects: HUMANITIES SOCIAL sciences CULTURAL studies NATIONAL unification NATIONALISM
  • Großbritannien
  • history of ideas
  • Ideengeschichte
  • Identität; Great Britain
  • identity Language of Keywords: German
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Identity. The British New Left and the Political Roots of a Contested Concept.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Author Affiliations: 1 = Universität Mannheim, Historisches Institut, Neuere und Neueste Geschichte, Mannheim,, 68161, Germany.
  • Full Text Word Count: 13392

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xl 1200 - 1366
xxl 1366 -